Diesseits von Gut und Böse: Helden unter sich

Wilhelm Tell und Robin Hood haben einiges gemeinsam: Vermutlich hat es beide nie gegeben, und wenn doch, sollen sie ihren Freiheitsdurst im ausgehenden Mittelalter ausgelebt haben. Und ihre Schusswaffen – die Armbrust und der Langbogen – sind so weit auch nicht auseinander.
Wie auch immer: Nachdem bei den Tellspielen in Interlaken 110 Mal Tells Tyrannenmord nach Friedrich Schiller besungen wurde, hat man beschlossen, im aktuellen Freilichtspiel den Engländer Robin Hood auf die Bühne zu bringen, also einen fremden Fötzel.
Manche sind drob tief unglücklich, wie zum Beispiel die beiden alten Herren, die jahrelang mitspielten und für die SRF-Sendung «Rundschau» nochmals kraftvoll zeigten, wie Tell dem Gessler zuruft: «Mit diesem zweiten Pfeil durchschoss ich euch! Wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte!», worauf der schmettert: «Ergreift ihn, Knechte, bindet ihn!»
Aber das Publikum war offenbar des tapferen Tell nach all den Jahren ein wenig müde, die Einnahmen schwanden kontinuierlich, sodass man heuer fand: Ein andrer Held muss her. Und Robin Hood, der in den Wäldern Nottinghams die Reichen beraubte, um die Armen zu beschenken, passt auch hervorragend in die Szenerie, wie die Bilder zeigen.
Vielleicht wars auch aus einem anderen Grund sinnvoll, den Helden auszutauschen. Im Wahljahr 2023 kaufte Pro Schweiz, die Nachfolgeorganisation der Auns, die Vorstellung vom 31. Juli auf und machte daraus eine SVP-Bundesfeier mit Wahlkampf. Christoph Blochers Rede dort soll länger gedauert haben als die eigentliche Aufführung, wortreich wie immer soll der Herr Dr. gegen die «gstudierten» und «innerlich verwahrlosten Gestalten», die die Neutralität verraten, gewettert haben.
Die Tellspiele seien zwar «politisch und konfessionell neutral», sagt der Vereinspräsident, aber wegen der finanziellen Lage strebe man «Partnerschaften mit klaren Win-win-Situationen an» («Infosperber»). Das war wohl so eine.
Jenen, die jetzt dem Tell nachtrauern, versprach man, er werde in einigen Jahren wiederaufgenommen. Doch hoffentlich peilt man dafür nicht das Wahljahr 2027 an. Dass auch der aktuelle Ticketverkauf für «Robin Hood» nicht so läuft wie gewünscht, liegt aber wohl vor allem am Wetter.