Im Affekt: Als wärs schon passiert

«Die ist so links, sie hat sogar am 1. Mai Geburtstag», hiess es im Livechat, der während der «Virus Bounce Cypher» im April auf Youtube mitlief, als Big Zis vor das Mikrofon trat. «Battlerap, meine Lieblingsdisziplin», meinte sie ironisch, bevor sie ihren explizit feministischen Text vortrug. Wers scheisse fand und das im Chat unbedingt verkünden musste, wurde von anderen zurechtgewiesen: «He, das ist eine Legende.»
Diese Legende war jahrelang eine der wenigen Frauen im Schweizer Rapzirkus; dass sie es an der diesjährigen «Cypher» nicht war, ist Zeichen einer langsamen, doch mittlerweile spürbaren Entwicklung. Das Schöne dabei ist, dass Big Zis auch jetzt immer noch ein wundersamer Vogel ist, der immer mittendrin war und doch immer etwas aus dem Raster fällt, alles anders macht, auf eine komische Art vielleicht sogar besser. Was zum Beispiel bedeutet, dass sie eine linksradikale Hymne mit richtig viel Text schreiben kann, völlig ernsthaft, ohne auch nur eine Spur peinlicher Berührung aufkommen zu lassen. Was in diesem Genre nun wirklich nicht gerade einfach ist.
«UFà» heisst dieser Track, den sie letzte Woche veröffentlicht hat. Er ist komplett frei von Bitterkeit und Ironie, ein im besten Sinn romantisches Lied über die Möglichkeiten, die wir als Menschen und also gemeinsam haben. Mit «Stell dir vor» beginnt das, aber dann herrscht für den Rest des Lieds kein Konjunktiv, nur Potenzial, als wärs schon passiert: der Mensch ein liebendes und liebenswertes, queeres, verletzliches, fehlerhaftes Wesen, die Welt ein Ort von Freiheit und Aushandlung, von Kämpfen und Überfluss.
Bei all der Ohnmacht über die Zustände, die gerade herrscht, ist «UFà» befreiend offensiv auf Handlung gedreht, jede Zeile sagt: Es ist möglich, es ist möglich, es ist möglich. Man fühlt sich pathetisch, wenn mans ihr nachschreibt, aber Big Zis bringt es so dringlich und furchtlos, dass man weiss: Das ist genau das, was wir brauchen. Und man sitzt da und wundert sich, wie so etwas überhaupt möglich ist.
«Mir verprassed und verschänked und bliibed gwunderig»: So lässt es sich doch ganz gut leben.