Regierungswechsel in Thailand: Erst der Schwager, dann die Schwester, nun die Tochter

Nr. 34 –

Thailand hat eine neue Premierministerin. Sie gehört der gleichen Familie an wie schon drei Regierungschef:innen vor ihr. Und ihre Partei hat die letzten Wahlen 2023 eigentlich verloren.

Thailands neue Premierministerin Paetongtarn Shinawatra mit Vater Thaksin
Die Dynastie wird man nicht los: Thailands neue Premierministerin Paetongtarn Shinawatra mit Vater Thaksin. Foto: Seksan Rochanametakul, Imago

Sie hat alles versucht, die militärische und royalistische Elite Thailands, um den ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra, seinen Clan und seine Partei für immer aus der Politik zu entfernen. Erst wurde 2006 der Milliardär selbst durch einen Militärputsch gestürzt und ins Exil nach Dubai verbannt. In den vergangenen Jahren löste das Verfassungsgericht ausserdem mehrmals seine Partei auf, wobei sich diese daraufhin jeweils flugs unter neuem Namen und mit prinzipiell gleicher Programmatik neu gründete. Bis 2018 gewann sie jede Parlamentswahl und stellte entsprechend immer auch die Premierminister:innen. Meistens nur auf Zeit: 2008 wurde Thaksins Schwager durch das Verfassungsgericht als Premierminister entlassen. 2014 putschte das Militär gegen die Regierungschefin Yingluck Shinawatra, Thaksins Schwester.

Seit dem 16. August ist nun Paetongtarn Shinawatra, die Tochter von Thaksin, neue Premierministerin Thailands – nachdem zwei Tage zuvor das Verfassungsgericht ihren Vorgänger Srettha Thavisin nach knapp einjähriger Amtszeit geschasst hatte. Ihm wurde die Ernennung von Thaksins Anwalt Pichit Chuenban zum Minister zum Verhängnis: Politiker:innen mit einer strafrechtlich relevanten Biografie verbietet die Verfassung die Ausübung von Regierungsämtern. Chuenban war einst wegen Missachtung des Gerichts zu acht Monaten Haft verurteilt worden.

Das Schicksal der Parteien

Die Machtübernahme durch die Tochter Thaksins verdeutlicht jedenfalls einmal mehr, wie viel Macht dieser in der thailändischen Politik trotz aller Verbannungsversuche immer noch ausübt. Seine Position ist derzeit sogar unbestrittener denn je. Denn neuerdings ist Thaksins Partei, die derzeit unter dem Namen Pheu Thai auftritt, aus Sicht der Militärs und der royalistischen Elite zum kleineren Übel avanciert. Aus den letzten Wahlen 2023 ging die gesellschafts- und wirtschaftspolitisch liberale Partei erstmals seit Jahrzehnten nicht als stärkste Kraft hervor. Sie musste sich gegenüber der Move Forward Party (MFP) geschlagen geben. Diese hat sich die demokratische Reform der staatlichen Institutionen, des Militärs sowie des harschen Paragrafen 112 gegen Majestätsbeleidigung auf die Fahnen geschrieben. Die zweitplatzierte Pheu Thai ist in diesen Fragen dagegen konservativ eingestellt – und deshalb weniger gefährlich für das Königshaus.

Der Senat, der zuletzt in einem reichlich obskuren Verfahren von der Elite des Landes ernannt wurde, verhinderte nach der Wahl eine Regierung unter der Führung der MFP. Stattdessen kam Thaksins Partei trotz Wahlniederlage erneut zum Zug. Teil des Deals zwischen seiner Partei und den Entscheidungsträger:innen im Hintergrund war es, dass Thaksin aus dem Exil zurückkehren durfte.

Die Wahlsiegerin MFP wurde dagegen nur eine Woche vor der Entlassung des Premiers Srettha Thavisin durch das Verfassungsgericht aufgelöst. Die bemerkenswerte Begründung der Richter: «Meinungsäusserungen zu Gesetzesänderungen und Wahlkampagnen stellen eine erhebliche Bedrohung für die nationale Sicherheit dar.» Damit erlitt die MFP das gleiche Schicksal wie ihre 2020 vom Verfassungsgericht aufgelöste Vorgängerin Future Forward Party.

Im Namen des Vaters

Die Organisation Asean-Parlamentarier:innen für Menschenrechte (APHR) zeigte sich «entsetzt über die dreiste Entscheidung des thailändischen Verfassungsgerichts». Mercy Chriesty Barends, APHR-Vorsitzende und Mitglied des indonesischen Parlaments, sagte: «Gesetzesergänzungen vorzuschlagen – eine Kernfunktion des Parlaments – mit Bemühungen gleichzusetzen, die Monarchie zu stürzen, ist absurd und untergräbt die Integrität des parlamentarischen Prozesses.» Mit dem Urteil habe das Gericht die «klare Botschaft gesendet, dass bestimmte Reformpläne im Parlament chancenlos sind».

Barends’ Analyse kann man aber angesichts der Politgeschichte Thailands durchaus skeptisch sehen. Schliesslich erwiesen sich die Parteistrukturen in den letzten Jahren als erstaunlich stabil. Der Thaksin-Clan ist immer noch in der Politik, und auch die MFP hat sich wenige Tage nach ihrer Auflösung unter dem Namen Volkspartei gleich wieder neu gegründet. Die ehemaligen MFP-Abgeordneten sind als Abgeordnete der Volkspartei weiterhin die stärkste Oppositionskraft im Parlament.

Die neue Premierministerin Paetongtarn Shinawatra muss diese Opposition nun in die Schranken verweisen, wenn Pheu Thai bei den nächsten Parlamentswahlen 2027 wieder stärkste Kraft werden soll. Damit das gelingt, muss sie liefern: Thailand ist das einzige Land in Südostasien, dessen Wirtschaft vor sich hin dümpelt, während die Wirtschaft der anderen wächst. Wobei Paetongtarn, die jüngste Amtsträgerin der thailändischen Geschichte, über keinerlei Regierungserfahrung verfügt. Sie kann sich aber auf ihren Vater verlassen, die graue Eminenz Thailands. Er stehe seiner Tochter beratend zur Seite, verkündete Thaksin bereits fröhlich.