Im Affekt: Chappell Roan: Recht auf Respekt

Nr. 35 –

Chappell Roan, Sängerin in Drag, Campdiva und queere Ikone, hat ihrem kometenhaften Aufstieg gleich einen eigenen Namen gegeben: «It’s a Femininomenon!», singt sie auf dem Album «The Rise and Fall of a Midwest Princess» (2023), das aktuell auf Platz 2 der US-Billboard-Charts steht. Dass sie manche Schattenseiten ihres Ruhms allerdings nicht akzeptiert, hat Roan letzte Woche in zwei Tiktok-Videos thematisiert. Sie fordert mehr Respekt und fragt ihre Fans: Würdet ihr irgendeine andere Frau, die ihr nicht kennt, umarmen wollen, auf der Strasse um ein Selfie fragen, ausfällig werden, wenn sie ablehnt, ihre Familie bedrohen?

Negative Reaktionen liessen nicht lange auf sich warten – Roan sei nicht gemacht für diese Art von Berühmtheit, Popstars seien auch nicht mehr, was sie einmal waren. Sehnsucht nach der Zeit, in der man weibliche Popstars öffentlich kaputtmachen konnte, wie man es in den nuller Jahren etwa mit Britney Spears tat: ernsthaft?

Wie viel Verständnis weiblichen Popstars in dieser Sache entgegengebracht wird, hat leider häufig damit zu tun, wie man sie in der Öffentlichkeit wahrnimmt. Britney Spears erfuhr wenig Mitleid, solange sie als dumm und tendenziell verrückt galt; gegen Taylor Swift, seit Jahren mit Stalker:innen konfrontiert, wird ihr Ruf als kalt und berechnend ins Feld geführt; Chappell Roan wird nach ihrer Intervention nun unterstellt, sie sei arrogant und undankbar. Aber selbst wenn das alles stimmen würde, und ganz egal, wie sympathisch einem diese Leute sind: Es ist ihr Recht, wie jenes von uns allen, nicht gestalkt, bedroht oder bedrängt zu werden. Selbst schuld daran sind sie eh nicht.

«Ich möchte für eine sehr, sehr lange Zeit Künstlerin sein», schrieb Roan nach den vielen negativen Reaktionen, offenbar im Bewusstsein darüber, dass es einige Vorkehrungen braucht, um eine Karriere in der Öffentlichkeit nachhaltig zu gestalten. Es ist auch eine Absage an die voyeuristische Lust, einem hellen Stern beim baldigen Verglühen zuzusehen.

Und wer unbedingt Popstars will, wie sie früher mal waren, muss sich halt auf die Reunion von Oasis freuen.