Im Affekt: Railway to hell

Nr. 37 –

Die Deutsche Bahn ist marode, und zwar derart marode, dass sie mittlerweile auch im Ausland Angst und Schrecken verbreitet. Während der Fussballeuropameisterschaft im Sommer klagten aus allen Ecken des Kontinents angereiste Fans über das Verkehrsunternehmen, selbst die englischen, dabei geniesst die privatisierte britische Bahn auch nicht den allerbesten Ruf. Sogar die «New York Times» titelte: «In Deutschland läuft das Turnier reibungslos, der Zugverkehr tut es nicht.»

Nun droht neues Ungemach. Anfang der Woche berichteten die Tamedia-Zeitungen, dass die Strecke von Zürich nach Stuttgart, auf der die sogenannte Gäubahn fährt, künftig in einem Vorort enden wird, was auch «unangenehme Folgen für Reisende aus der Schweiz» haben werde. Grund ist ein Planungsfehler bei den Stuttgart-21-Bauarbeiten, also bei der Errichtung des gigantischen Tiefbahnhofs, gegen den einst Zehntausende auf die Strasse gegangen waren. Faktisch heisst das, dass Reisende mit der Gäubahn über Jahre im nicht allzu schmucken Stuttgart-Vaihingen auf die S-Bahn werden umsteigen müssen, um den Hauptbahnhof zu erreichen.

Vermutlich weil das eher deprimierende Neuigkeiten sind, hat der Tamedia-Redaktor einen kleinen Scherz in seinen Bericht geschummelt: Angeblich soll nämlich die Strecke Zürich–Stuttgart im ersten Halbjahr 2024 «zu den pünktlichsten in Deutschland» gehört haben. Was er wohl nicht wusste: Die bislang «gute Verbindung» war bis vor kurzem viele Monate lang nahezu permanent wegen Bauarbeiten unterbrochen, was für Bahnreisende bis zu zweistündige Autobahnfahrten mit einem Ersatzbus bedeutete.

Hiess es nicht eigentlich, eine Mobilitätswende sei angesichts der Klimakrise das Gebot der Stunde? Und dass eine unterfinanzierte Infrastruktur Wasser auf die Mühlen der Rechten sei? Von Deutschland lässt sich jedenfalls lernen, wie man ganze Regionen mutwillig abhängt. Schrecklicher Verdacht: Will man vielleicht gar nicht, dass die Leute aufs Auto verzichten?

Denkbar wäre, künftig mit dem Flugzeug nach Stuttgart zu reisen. Aber dass das überhaupt möglich ist, ist eine Tragödie für sich.