Im Affekt: Das Ende der Welt unter ihrem Kleid

Ist das positive Gotteslästerung? Die Dragqueen hat sie auf der Bühne noch als Diva und als «universelle Ikone» angesagt, da kommt sie schon herein: zuerst im schwarzen Ledermantel unter Sirenengeheul, dann im engen Kleid, üppige blonde Mähne, das Gesicht hinter einer schwarzen Sonnenbrille und einem glitzrigen Schleier verborgen, begleitet von einem DJ und zwei noch etwas weniger angezogenen Tänzer:innen. Und dann, es sind die ersten Zeilen ihres zwar nicht grössten, aber schönsten Hits, rappt Myss Keta: «Der Glamour macht vor niemandem halt, selbst Gott hat nur einen Tag frei.»
«Scandalosa» heisst dieser Song, und er ist natürlich nicht halb so lustig, wenn man ihn nicht hört – nur schon auf Italienisch («Il glamour non si ferma per nessuno, anche per Dio il day-off è solo uno») und mit diesem ohrwurmigen Schlagerbouquet auf einem wunderbaren Eurodance-Bass. Wobei, hier vor der Bühne – wir sind in Zürich am Lila Festival in der Roten Fabrik – drückt der Bass freudig auf den Brustkorb, klingt dabei aber auch ganz freundlich: Bouncy Techno.
Myss Keta («We are here, we are queer») scheint sich pudelwohl zu fühlen, wie sie von der jungen Menge hier, in der man alles findet ausser Heteros, freudig empfangen und gefeiert wird. In eine universelle Ikone verwandelt sich die Rapperin durch ihre Maskierung, den Schleier, den sie immer trägt, seit sie ihn vor zwei Jahren in einem Musikvideo in ihr Universum eingeführt hat: «Burqa di Gucci», Gucci-Burka.
Ja, Myss Keta hat viel Sinn für den billigen Spass, der auch Pop sehr gut stehen kann. In «Finimondo», einem anderen ihrer Hits, sampelt sie den Refrain aus Edoardo Vianellos «Il capello» mit seinen aufgedrehten Flöten, die anzüglicher kaum sein könnten. Dazu wieder einer dieser Bässe und eine erste Strophe über eine Party, die schon zwei Nächte dauert, beginnend mit den Zeilen: «Ich bin in der Nähe, ich habe das Ende der Welt unter meinem Kleid, mmh, bellissimo.»
Noch ein Anspieltipp: «Pazzeska» inklusive Video, in dem Myss Keta in sugorotem Bodypaint auf einer riesigen Mortadella sitzt.