Im Affekt: Zuckerschock? Fake News!
Vielleicht kennen Sie die Situation: Freund:innen sind mit ihren kleinen Kindern zu Besuch, und nach dem Dessert rennen die Kinder überdreht in der Wohnung rum. Darauf stöhnen die Eltern leicht vorwurfsvoll gegenüber den Gastgebenden, die den Kindern eine grosse Portion Dessert auf den Teller geschaufelt haben: «Das ist der Zuckerschock, jetzt können die Kinder nicht mehr schlafen.»
«Zuckerschock» – ein sehr beliebtes Wort unter Erziehungsberechtigten. Und eines, das in der Weihnachtszeit, die ja bekanntlich auch Süssigkeitenzeit ist, wohl häufiger bemüht wird als im Rest des Jahres. Denn viele Eltern sind überzeugt: Der Konsum von Zucker macht hyperaktiv. Dabei ist der Zuckerschock ein Mythos. Es gibt keine einzige wissenschaftliche Studie, die einen Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Hyperaktivität feststellen konnte. Sicher, der Konsum von zu viel Zucker ist ungesund und kann Folgen haben wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Karies. Doch dem Kind Süssigkeiten vorenthalten mit der nachweislich falschen Behauptung, es könne sonst nachher nicht mehr schlafen, scheint ziemlich problematisch.
Aber warum sind die Kinder trotzdem tatsächlich oft überdreht nach übermässigem Zuckerkonsum? Dazu gibt es verschiedene Erklärungen. Eine ist die der selbsterfüllenden Prophezeiung: Die Eltern stellen mehr Hyperaktivität fest, wenn sie glauben, ihre Kinder hätten viel Süsses gegessen. Eine weitere Erklärung ist die der besonderen Situation: Oft essen Kinder an speziellen Anlässen Süssigkeiten und sind wegen des Ausnahmezustands überdreht und nicht wegen des Zuckers. Das sollte man am Weihnachtsabend im Hinterkopf haben, wenn die Kinder nach dem Verzehr von Brunsli, Mailänderli und Zimtsternen spätabends ausgelassen um den Küchentisch tanzen: Es ist nicht der Zucker, es ist Weihnachten.
Die WHO empfiehlt für Kinder weniger als zehn Prozent der täglichen Energiezufuhr in Form von freiem Zucker – was ungefähr neun Zuckerwürfeln pro Tag entspricht.