Auf allen Kanälen: Grosse Plattformen, kleine Schweiz
Google, Meta, X: Was lässt sich der Marktmacht der Techgiganten entgegensetzen?

Die Techbros vom Silicon Valley sassen bei Donald Trumps Inauguration nicht umsonst erwartungsfroh in der ersten Reihe. Nun regiert wieder ein Präsident im Weissen Haus, der ihre libertären Visionen teilt. Ganz anders sieht es in der EU aus: Dort trat vor zwei Jahren der Digital Services Act (DSA) in Kraft, der die Rechte von Nutzer:innen schützt und den Plattformen von Musk, Zuckerberg und Co. diverse Pflichten auferlegt. In der Schweiz sind diese bisher weitgehend unreguliert. Aber auch hier tut sich was – wenngleich verspätet.
Bereits 2023 wurde das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) mit der Ausarbeitung einer Vernehmlassungsvorlage betraut, die sich am DSA orientieren sollte. Aber wenn es nicht um die Wolfsjagd geht, mahlen die Mühlen im Departement Albert Rösti betont langsam: Fristen wurden verlängert, sie verstrichen, rutschten nach hinten. Zuletzt kommunizierte das Bakom, dass die Vernehmlassung «voraussichtlich in den nächsten Wochen» starten werde. Vorab hat nun die ausserparlamentarische Eidgenössische Medienkommission (Emek) einen umfassenden Vorschlag vorgelegt, wie der Plattformmacht zu begegnen wäre.
Marktmacht einschränken
Die Vorlage des Bakom wird voraussichtlich auf eine Stärkung der Nutzer:innenrechte zielen. Da Plattformbetreiber hierzulande nicht einmal eine Kontaktstelle haben oder eine Rechtsvertreterin benennen müssen, wäre das ein wichtiger Schritt. Das sieht auch die Emek so – fordert aber noch mehr. Etwa die Einrichtung einer staatlich finanzierten Aufsichtsstelle, freien Zugang für Forscher:innen und die Zivilgesellschaft oder transparente Algorithmen, die auf der Grundlage «gesellschaftlicher und demokratischer Werte» programmiert werden.
Ausserdem plädiert die Emek dafür, den Marktzugang der Techunternehmen besser zu regulieren. Das Schweizer Wettbewerbsrecht ist auf Märkte ausgerichtet, die auf der Transaktion von Gütern oder Dienstleistungen basieren; die Plattformökonomie baut aber auf der Monetarisierung von Daten auf. Hier müssten die gesetzlichen Grundlagen angepasst werden. Ergänzend empfiehlt die Kommission Regulierungen, die einen fairen Wettbewerb sicherstellen. Auch hier geht die EU mit gutem Beispiel voran.
Gegen Regulierungen, wie sie die EU kennt, werden im bürgerlichen Lager zunehmend kritische Stimmen laut. «Früher hatte ich noch den Eindruck, es herrsche ein Konsens, dass eine Regulierung dieser Plattformen notwendig sei», sagt Medienpolitikerin Min Li Marti (SP). Ob sich aus diesen einzelnen Stimmen nun eine breite bürgerliche Opposition entwickle, werde sich zeigen. Voraussichtlich werde die Schweiz die übliche Strategie fahren, sagt Marti: abwarten, wie sich die Dinge in der EU entwickeln, um dann deren Regulierungen in abgeschwächter Form zu übernehmen.
Alternativen aufbauen
Die Empfehlungen der Emek sind rechtlich nicht bindend; inwieweit sie umgesetzt werden, liegt in der Verantwortung der Politik. Und politische Prozesse sind langwierig – was also liesse sich der Plattformmacht aus zivilgesellschaftlicher Perspektive entgegensetzen?
«Angesichts der riesigen Machtasymmetrie darf man die Verantwortung nicht einfach auf den Schultern von einzelnen Nutzer:innen abladen», sagt Angela Müller, Mitglied der Emek und Geschäftsleiterin von Algorithm Watch CH. Die NGO fordert gesetzliche Massnahmen, zusätzlich müssten aber auch Journalismus, Forschung und Bildung gefördert werden. Die Emek schlägt in ihrem Papier überdies vor, im Sinne eines digitalen Service public den Aufbau nichtkommerzieller, alternativer Plattformen ins Auge zu fassen – wie das etwa auch der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis oder Grünen-Politiker:innen in Deutschland fordern.
Min Li Marti betont, dass eine wirksame Strategie gegen die Plattformmacht auch bei der Medienförderung ansetzen müsse. «Die Stärkung von Medien, die journalistischen Kriterien verpflichtet sind, ist eine zentrale Abwehrmassnahme», sagt sie. Dass alle denselben Zugang zu Informationen haben, ist für eine demokratische Gesellschaft unabdingbar. «In diesem Kontext etwa die SRG zu schwächen», fügt Marti an, «ist natürlich fatal.»