Zuckerberg, Musk und Co.: Im Silicon Valley sitzt der Feind, das ist klarer denn je

Nr. 3 –

Was der Schulterschluss von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg mit dem neuen US-Präsidenten über die Digitalindustrie verrät.

Mark Zuckerberg mit einer Orion-AR-Brille am jährlichen Meta Connect Event
Im Namen der Freiheit, im Dienst des Autoritarismus: Mark Zuckerberg öffnet die Schleusen für Desinformation und Hetze. Foto: Manuel Orbegozo, Reuters

Mark Zuckerberg klingt neuerdings wie ein Männerrechtsaktivist. In der Sendung des US-Podcasters Joe Rogan pries der Meta-Chef vor ein paar Tagen die segensreiche Wirkung von «maskuliner Energie» und «einer Kultur, die Aggression wertschätzt», für die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens. Passend dazu trägt Zuckerberg längeres Haar, T-Shirts in Übergrösse und protzigen Schmuck: eher Typ «alpha male» denn scheuer Nerd. Seit einigen Jahren geht er auch regelmässig auf die Matte, um sich in der «mixed martial arts» genannten Kombination aus Kickboxen und Ringkampf zu üben.

Auch auf Facebook, Instagram und Threads soll es künftig rauer zugehen. In einer Videobotschaft gab Zuckerberg vergangene Woche bekannt, dass die Meta-Plattformen zumindest in den USA die Zusammenarbeit mit externen Faktenprüfer:innen beenden werden. Stattdessen sollen «community notes» eingeführt werden, ähnlich wie auf X: Auf dem Kurznachrichtendienst des Multimilliardärs Elon Musk sollen Nutzer:innen selber Falschinformationen richtigstellen. Dass es Meta nun genauso handhaben will, begründete Zuckerberg ganz im Sinne des rechtslibertären Redefreiheitsfundamentalismus damit, dass die unabhängigen Faktenprüfer:innen «politisch zu voreingenommen» seien.

Trump findet es «exzellent»

Zudem sollen die Restriktionen in Bezug auf das, was auf den Meta-Plattformen als legitime Äusserung gilt, gelockert werden, insbesondere bei Themen wie Migration oder Gender. Interne Dokumente, die an das US-Onlinemedium «The Intercept» gelangten, veranschaulichen, was das in der Praxis bedeuten könnte: So wäre etwa die Bezeichnung von Migrant:innen als «Müll» oder trans Personen als «geisteskrank» künftig zulässig. Überdies sollen politische Inhalte nicht wie bisher vom Algorithmus ausgebremst werden.

Dieser Kurswechsel ist als Signal an den im November erneut zum US-Präsidenten gewählten Rechtspopulisten Donald Trump zu deuten, der Zuckerbergs Plänen auch gleich attestierte, sie seien «exzellent». Derweil rief das Statement des Meta-Chefs nicht nur innerhalb des Konzerns, wo man einige Tage später auch das Ende des internen Diversitätsprogramms bekannt gab, sondern weltweit Empörung hervor: Massenhaft soll bei Google die Suchanfrage registriert worden sein, wie man ein Facebook- oder Instagram-Konto löscht. Mehrfach wurde zudem an die genozidale Gewalt in Myanmar im vergangenen Jahrzehnt erinnert, wo laut eines Uno-Berichts systematische Hetze auf Facebook einen Völkermord an den muslimischen Rohingya befeuerte. Ein ehemaliger Meta-Mitarbeiter bezeichnete die Änderung der Richtlinien als «Vorboten für den nächsten Genozid».

Überraschend kommt Zuckerbergs Verlautbarung jedoch nicht. 2016, nach der erstmaligen Wahl Trumps zum Präsidenten, als Facebook wegen der auf der Plattform zirkulierenden rechten Propaganda in der Kritik stand, hatte Zuckerberg zwar noch gelobt, dass sein Unternehmen «Desinformation ernst nehmen» würde und die Zusammenarbeit mit «den vielen angesehenen Faktenprüfungsorganisationen» anstreben werde. Nach dem Angriff eines rechten Mobs auf das US-Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 hatte er zudem Trump von Facebook verbannt. Damals konnte man allerdings dessen Präsidentschaft noch als einmaligen, durch die Besonderheiten des US-Wahlsystems begünstigten Unfall deuten, der vier Jahre später durch den Sieg Joe Bidens korrigiert worden war.

Inzwischen hat sich das politische Umfeld tiefgreifender geändert. Schon im März 2024 zeigte sich handfest, wie wenig opportun es für Meta ist, Trump zum Feind zu haben: Damals erklärte dieser Facebook zum «Volksfeind», worauf die Meta-Aktie deutlich an Wert verlor. Währenddessen machte der rechtslibertäre Musk den Ultrareichen im Silicon Valley vor, dass sich die dezidierte Parteinahme für das «Make America Great Again»-Lager auch finanziell auszahlt: Seit Trumps Sieg ist das Vermögen des Tesla-Chefs um viele Milliarden angewachsen.

Knallharte Standortpolitik

Zuckerberg ist daher nicht der einzige Techboss, der um die Gunst des neuen Präsidenten buhlt. In den vergangenen Wochen standen sie Schlange, um eine Audienz zu erhalten: Apple-Chef Tim Cook traf genauso mit Trump zusammen wie Jeff Bezos (Amazon), Sam Altman (Open AI), Shou Zi Chew (Tiktok), Sundar Pichai (Google) und eben auch Zuckerberg.

Wenn nun aber der Digitalindustrie vorauseilender Gehorsam gegenüber einem Politiker mit autokratischen Neigungen vorgeworfen wird, klingt das so, als würden sich hier zwei Lager mit eigentlich gegenläufigen Interessen gegenüberstehen. Der Publizist Jared Yates Sexton wies demgegenüber auf die grundsätzliche «Solidarität innerhalb der vermögenden Klasse» hin: Unterm Strich verfolgten Trumps Führungsriege und die Techbosse gemeinsame Ziele, etwa eine wirtschaftspolitische Deregulierung oder niedrige Steuern. Zudem ist fraglich, ob Zuckerberg den Trumpismus persönlich überhaupt stossend findet. So kündigte er in seinem Video auch an, mit Trump zusammenarbeiten zu wollen, um «Regierungen überall auf der Welt zurückzudrängen», die US-Unternehmen gängeln würden. Offensichtlich erhofft er sich vom Weissen Haus eine Standortpolitik, die kompromisslos die Interessen der Techbranche verteidigt.

Das richtet sich auch gegen die Regulierungsbemühungen seitens der Europäischen Union, wie Zuckerberg explizit sagte. Die angekündigten Änderungen der Richtlinien beziehen sich vorerst zwar auf die USA, doch der Meta-Chef hat auch das EU-Gesetz über digitale Dienste im Visier, das grosse Onlineplattformen verpflichtet, gegen Hassrede und andere illegale Inhalte vorzugehen. Meta wurde in Europa wiederholt zu Strafzahlungen verurteilt, teilweise in Milliardenhöhe.

Daher erscheint es nur folgerichtig, wenn der Meta-Chef nun den Schulterschluss mit der neuen Regierung in Washington sucht: Diese wird generell einen unilateralen Kurs verfolgen und sich wenig um die Befindlichkeiten selbst verbündeter Staaten scheren. Trumps Vizepräsident J. D. Vance hatte schon im November signalisiert, dass die USA das transatlantische Nato-Bündnis infrage stellen würden, sollte die EU versuchen, gegen Techoligarchen wie Musk vorzugehen.

Die Schweiz hinkt hinterher

Das unterstreicht, wie dringend notwendig der Aufbau einer unabhängigen digitalen Infrastruktur ist: Im Silicon Valley sitzt der Feind, das ist mittlerweile klarer denn je. Die brasilianische Justiz hat bereits bei Meta angefragt, wie der Konzern gewährleisten will, dass die neue Unternehmenspolitik mit den Gesetzen des Landes zu vereinbaren ist. Schon im vergangenen Jahr hatte Brasilien den Konflikt mit Musk nicht gescheut, als dieser sich geweigert hatte, Profile auf X zu entfernen, wenn sie Falschmeldungen verbreiteten. Bei den deutschen Grünen wurde zudem letzte Woche die Forderung laut, die «Schaffung einer europäischen Medienplattform in öffentlicher Trägerschaft» ins Wahlprogramm zu schreiben.

Und die Schweiz? Die hinkt derweil in Sachen Regulierung hinter der EU her. Der Bundesrat hatte im Frühjahr 2023 eine bessere Kontrolle der grossen Plattformen angekündigt, das zuständige Bundesamt für Kommunikation hat die Präsentation einer entsprechenden Vorlage allerdings bereits zweimal verschoben. Ohnehin stemmen sich auch im Land selbst Kräfte gegen eine Regulierung. So sagte der SVP-Nationalrat Franz Grüter im November der NZZ: «Der europäische Ansatz bringt letztlich Zensur mit sich.» Willfährigere Verbündete könnten sich Zuckerberg und Co. kaum wünschen.