Im Affekt: Wie ein Waldlauf im Sitzen

Man glaubt es kaum, doch es gibt auch noch positive Entwicklungen. So vermeldete die «NZZ am Sonntag» kürzlich, dass in der Schweiz dank gewachsenen Gesundheitsbewusstseins immer weniger Alkohol getrunken werde – ja, man steuere gar schnurstracks «auf die grosse Trockenheit» zu, so das Blatt. Bei dem Trend handelt es sich allerdings nicht um eine nationale Ausnahmeerscheinung, sondern um ein länderübergreifendes Phänomen, befeuert auch durch Aktionen wie den «Dry January», bei dem es darum geht, nach den feuchtfröhlichen Dezemberwochen zumindest zu Jahresbeginn nüchtern zu bleiben.
Die Kampagne wurde vor etwas mehr als zehn Jahren in Grossbritannien initiiert, längst aber gibt es internationale Ableger, was mitunter kuriose Blüten treibt. So organisierte das Blaue Kreuz Schweiz jüngst in Aarau einen «Dry Pub Crawl», also eine Beizentour, bei der auf Alkohol verzichtet wurde. Das mag zunächst ähnlich sinnvoll klingen wie das Vorhaben, einen Waldlauf im Sitzen zu absolvieren, die Suchthilfeorganisation verfolgte damit aber das aller Ehren werte Ziel, nachzuweisen, dass man auch ohne Rausch eine schöne Zeit mit seinen Mitmenschen haben kann. Und siehe da: Dank «Kennenlernspielen», «guter Musik» und einem «per Velo angetriebenen Drinkmixer» kam tatsächlich «ausgelassene Stimmung unter den Teilnehmenden» auf, zumindest laut SRF, das über den Anlass berichtete.
Misanthropisch gestimmte Naturen werden das allerdings für ähnlich wahrscheinlich halten wie die Möglichkeit, dass der Bestsellerautor Bas Kast («Warum ich keinen Alkohol mehr trinke»), der in einem Interview angekündigt hatte, auf 2025 mit einem «leckeren Glas Mineralwasser» anstossen zu wollen, bei der Realisierung dieses Plans allzu viel Spass gehabt haben wird. «Dummheit frisst, Intelligenz säuft», behaupteten bierselige Schlaumeier früher, obwohl das natürlich Quatsch ist. Jetzt, wo man endlich Abstinenz wertzuschätzen weiss, bleibt für die Zukunft nur noch, sich selbst nichts mehr vorzumachen.
Ob trocken oder feucht: Wo das Stichwort «Pub Crawl» fällt, gilt es, schleunigst davonzukriechen.