Diesseits von Gut und Böse: Rechtsradikale Redeflüsse

Nr. 6 –

Der wahre Schrecken begann am Sonntagabend erst nach dem «Tatort»: ARD-Moderatorin Caren Miosga hatte Alice Weidel zum Gespräch geladen. Hin- und hergerissen zwischen dem Gefühl «Neeiiin, gebt ihr keine Plattform!» und einer kaum zu zähmenden Neugier, was die Kanzlerkandidatin der AfD jetzt wieder rauslassen würde, musste ich hinschauen – und mit mir so viele, dass die Einschaltquote durch die Decke ging.

Es war furchtbar. Zum einen, weil Miosga am Anspruch, Weidel ihr faschistoides Vokabular nachzuweisen, scheiterte – und zwar nicht, weil Weidel hätte glaubhaft zurückweisen können, dass sie gern von «Schuldkult» im deutschen «Sklavenstaat» und von «Remigration» spricht, sondern weil sie eine Art hat, in teutonisch überzeugtem Brustton alles und jede:n um sich herum in Grund und Boden zu quatschen.

Dass Miosga einen Journalisten der «Welt» und eine Autolobbyistin an ihre Seite gebeten hatte, war nicht ungeschickt, weil deren Kritik an Weidels Ausführungen nicht den geringsten Verdacht aufkommen liess, «links» zu sein. Genutzt hat es nichts. Weidel antwortet nicht auf Fragen, sie trötet ihr Ding raus – egal ob es passt oder nicht. Und meistens passte es nicht. Dass die ARD versäumte, jede weidelsche Behauptung mit sofortigen Faktenchecks zu widerlegen, war ein gravierender Fehler.

Nun hat Alice Weidel in der Schweiz ja nicht nur Frau und Kinder, sondern auch prominente Fans. Zum Beispiel Ueli Maurer, der sich an einer AfD-Veranstaltung per Videobotschaft – «Hoi, Alice!» – wunderte: «Da sollen offenbar liebe Freunde, die wir seit Jahren kennen und schätzen, plötzlich extrem geworden sein.»

Zudem trug Frau Weidel wieder ihre On-Schuhe. Auf die Frage der «Berliner Zeitung», wie die Firma denn zu dieser Markenbotschafterin stehe, antwortete On: «Wir bitten um Verständnis, dass wir die Schuhwahl von Einzelpersonen, darunter auch Personen des öffentlichen Lebens, grundsätzlich nicht kommentieren.»