Wichtig zu wissen: Gegen den alterlichen Übermut
Ruedi Widmer sucht Politiker:innen, die Zeit und Verstand haben
Seit sich die Seriosität zur Jugend hin verschoben hat – keine Handys mehr auf dem Pausenplatz, kein Alkohol, keine Drogen, kein Clubbing mehr –, blickt man angstvoll auf die von alterlichem Übermut getriebenen Politiker:innen. Während ein Teil von ihnen Dinge macht, die die heutigen jugendstarrsinnigen Kinder, die schon mit drei in den Fremdsprachunterricht gehen, früher im Sandkasten getan hätten, nämlich die Kuchen der anderen platt zu drücken, ist der andere Teil mit hilflosem Kaffeesatzlesen auf dem X-Account «Donald J. Trump» beschäftigt.
Die Probleme der Welt sind immens: Israel–Gaza, Russland–Ukraine, Indien–Pakistan, USA–Kanada/Mexiko/Grönland/Panama, Konflikte im Sudan, Ostkongo, Jemen, in Myanmar, Syrien, Kolumbien, Bosnien-Herzegowina, Nigeria. Rechtsradikale Machtübernahme in den USA, in Österreich, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Ungarn, Russland, der Türkei, Israel, Argentinien u. a. m. Dazu Klimawandel, Fluchtmigration, Aufrüstung, Hunger, islamistischer und rechtsradikaler Terror, Antisemitismus, ESC.
Das ist eindeutig zu viel für die internationale Politik. Wer soll hier vermitteln? Wer hat dafür überhaupt Zeit oder Verstand und schafft es, über den nächsten launigen TV-Tag von Trump hinauszudenken? In letzter Zeit tat dies tatsächlich nur noch Trump selber, der neben seinem Golfjob auch noch den Zweitjob als US-Präsident machen muss. Dank seinem tremendous Mundwerk und seiner überbordenden Fantasie ist in der Ukraine inzwischen Frieden, dank ihm sind die Huthi-Rebellen besiegt, dank ihm hat Gaza eine Zukunft (Luxusappartements). Die israelische Armee macht bereits die Abbrucharbeiten.
Die Uno und die Hilfsorganisationen weltweit sind geschwächt. Die Schweiz hat keine Zeit mehr für Ukrainekonferenzen oder EU-Rahmenabkommen, denn sie muss dringendst ein Freihandelsabkommen haben. Trump, der täglich wie ein krankes Huhn neue faule Eier legt, steht vor der langweiligen Aufgabe, mit etwa 300 Staaten solche auszuhandeln. Herr und Frau Parmelin-Keller sind zum Bundesehepaar geworden, ständig zusammen auf Transatlantikkreuzfahrt ins Unglück. Bis sie mal auf dem Golfplatz vorsprechen können, dürften gut einige Jahre ins Land der unbeschränkten Dummheit gehen. Und wie lange sind Transatlantikflüge US-seitig («trans»?) noch erlaubt?
Es tut einem leid für alle Kinder und Jugendlichen dieser Welt, es gibt kaum noch Politiker:innen, denen Konstruktives zuzutrauen ist. Einigen nordeuropäischen, polnischen, ukrainischen, australischen, japanischen und kanadischen vielleicht, vielen Linken weltweit, ja gar dem neuen Papst. Viele melden sich aber lieber nur noch über X bei der Bevölkerung.
Achtzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust verliert die Politik wieder die Demut vor den Menschen – ihren Auftraggeber:innen; sie erlischt geradezu beim rechtsoffenen Kanzler Merz (der ja nicht mal einen erotischen Roman geschrieben hat wie unser H. R. Merz [«Alien»]), sie erlischt hinter künstlichen angeblichen Intelligenzen, die nichts anderes machen, als potenziert das Dümmste, was die Menschen tun, endlos zu wiederholen, nämlich noch mehr Geld für diejenigen zu generieren, die schon jetzt in Luxus, Gold, Geschmack- und Kulturlosigkeit ersaufen: die Oligarchen – von denen nun wenigstens ein einziger, Bill Gates, sein Vermögen, das er z. B. mit dem unbrauchbaren Windows 8 machte, nicht für Viertjachten und Fünftprivatjets ausgibt, sondern den Schaden abfedert, den das Ende von USAID verursacht hat. Ganz nach dem kapitalistischen Motto «unique selling point» – mach das, was deine Konkurrenz nicht macht.
Im besten Fall bildet sich eine Art weltweites Italien, eine selbstorganisierende Welt auf Mittelmass, der egal ist, dass die Mafia regiert.
Ruedi Widmer verjüngt Winterthur seit einiger Zeit auch nicht mehr, ist aber z. Gl. nicht Politiker.