Im Affekt: Wir fordern den Turing-Test für CEOs

Nach dem KI-Schock für Lehrpersonen, die lernen mussten, dass Chatbots ihre seit Jahren rezyklierten Prüfungsfragen ganz leicht beantworten können, trifft es nun die andere Seite. «Künstliche Intelligenz: Macht KI mein Studium überflüssig?», titelte reisserisch der «Spiegel» – und widmete die Überschrift später zum Mutmacher um: «Warum KI kein Studium überflüssig machen wird». Glück gehabt, liebe Bachelorstudent:innen! Aber auch auf der nächsten Sprosse der Lebensleiter lauert Gefahr. «KI ersetzt Berufseinsteiger: Rollt die ‹Job-Apokalypse› auf die Schweiz zu?», fragt scheinheilig der «Tages-Anzeiger», dessen Mutterkonzern einer der grössten Jobkiller in der Schweizer Medienbranche ist, wie der Stellenabbau beim Gratisblatt «20 Minuten» gerade wieder zeigt.
Die TX Group selbst ist ja bereits viele Stufen weiter. Nachdem Textroboter Tobi im Dienst von KI-Enthusiast und Verleger Pietro Supino schon vor Jahren Abstimmungsresultate und Fussballmatches zusammenfassen durfte, ist jetzt seine intelligentere Schwester in die Teppichetage eingezogen. Dies lässt jedenfalls das jüngste Interview mit Tamedia-CEO Jessica Peppel-Schulz vermuten. Fürs Branchenportal persoenlich.com beantwortet sie alle Fragen zur KI wohltemperiert automatisiert. Etwa diejenige nach Stelleneinsparungen: «Unsere Vision ist nicht der Personalabbau, im Gegenteil», lautet der fröhliche Bescheid. Wer jetzt aber ganz nach alter menschlicher Logik denkt, Tamedia plane also einen Stellenausbau, täuscht sich leider. Es geht hier bloss «um eine bessere Allokation von Kapazitäten».
Immerhin eine Kapazität bleibt vorläufig human: «Journalistische Verantwortung bleibt bei uns fest in menschlicher Hand, ohne die redaktionelle Verantwortung abzugeben.» Eine arg verdächtige doppelte Beteuerung, zumal die Frage eigentlich gar nicht so weit gegangen war. Rasch weiter zu den grössten Risiken der KI: Das sei der Glaubwürdigkeitsverlust, so Peppel-Schulz – denn «Vertrauen ist unser wichtigstes Kapital und das verteidigen wir konsequent.» Es klingt fast wie eine Drohung.
Ob unsere Bundespräsidentin den Turing-Test bestehen würde? Scheint auch zweifelhaft, wenn man Karin Keller-Sutters Video zur Fussball-EM sieht: www.instagram.com.