Leser:innenbriefe

Nr. 25 –

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Stigmatisierung

«Sexarbeit: Sexverkauf geht alle an», WOZ Nr. 23/25

Prostitution ist ein lukrativer Markt, damit wird sehr viel Geld verdient. Von den Umsätzen bleibt jedoch nur ein geringer Teil bei den Frauen (und in vier Prozent der Fälle auch bei Prostituierten anderen Geschlechts), die diese Dienstleistungen erbringen. Andere Beteiligte bereichern sich auf ihre Kosten. Das nennt sich Ausbeutung. Fakt ist auch:

  • Die Nachfrage der Freier ist gross. Schätzungen gehen davon aus, dass in der Schweiz 350 000 Männer mindestens einmal pro Jahr Freier sind.
  • Rund 85 Prozent der Prostituierten in der Schweiz sind Migrantinnen, die sich mehrheitlich aus Mangel an Alternativen oder aus finanzieller Not prostituieren. Oder schlimmer noch von Loverboys abhängig oder von Menschenhandel und Zwangsprostitution betroffen sind. Freier profitieren von solchen Notlagen.
  • Zahlreiche Frauen erlitten vor der Prostitution persönliche Traumata wegen bereits erlebter sexualisierter Gewalt oder körperlicher Misshandlung.
  • Es gibt keine sichere Prostitution: Fast jede Prostituierte hat schon verschiedenste Formen von Übergriffen erlebt.
  • Prostitution verursacht gravierende gesundheitliche Folgeschäden.

Das alles ist mittlerweile Allgemeinwissen. Und trotz dieses Wissens kaufen sich Freier weiterhin den Körper einer Frau. Mit ihrer Nachfrage stehen sie am Anfang dieses ausbeuterischen Marktes. Prostitution ist in unserer Gesellschaft stigmatisierend für die Dienstleister:innen, weniger für die Freier. Auch hier soll gelten: Die Stigmatisierung muss die Seite wechseln.

Irene Meier, per E-Mail

Syt dihr öpper?

«Bankenregulierung und Mindestlohn: Nicht im gleichen Team», WOZ Nr. 24/25

Madame de Meuron, Berner Aristokratin, hat mal gefragt: Syt dihr öpper oder nämet dihr Lohn? (Sind Sie jemand oder beziehen Sie Lohn?)

Thomas Aeschi (SVP) äussert sich wohlmeinend zur Mindestlohn-Initiative, dass niemand gezwungen sei, im Niedrigstlohnbereich eine Arbeit anzunehmen, und Roland A. Müller, Arbeitgeberverband, meint aus Überzeugung und zum Wohl der Allgemeinheit, dass die Wirtschaft es der Arbeitnehmerschaft gegenüber nicht schuldig sei, existenzsichernde Löhne zu bezahlen!

Diesen klarsichtigen Wohlstandsdenkern zufolge ist es irgendwie schon schön blöd, sich im nicht existenzsichernden Lohnbereich selber zu versklaven.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist folgerichtig anzunehmen, dass sich Aeschi und Müller mit dem Modell des von der Allgemeinheit den Miserablen geschuldeten Bürgergeldes, nach Vorbild Deutschlands, auch in der superreichen Schweiz anfreunden könnten. Natürlich ohne Limitierung – nach unten.

Syt dihr öpper? (Bonimultimillionär, Techmilliardär, Oligarch, Diktator, Aristokratin) oder nämet dihr Lohn? Nein, keinen Lohn, gohts no? Wenn schon, denn schon Wertabschöpfung, Boni, Dividenden, Anwaltshonorare für mich – Bürgergeld(-almosen) für den Rest.

Urs Zeder, Basel

Facettenreich

«Ökologie: Anarchist und Büezer», WOZ Nr. 24/25

Besten Dank für den tollen Artikel über das Leben der Biber und ihre erstaunlichen und lebensfördernden Auswirkungen auf ihre Umwelt.

Solche Artikel lese ich immer gerne – erst recht in dieser Zeit, wo solch positive und optimistisch stimmende Berichte zu einem raren Gut geworden sind. Auch gefällt mir sehr, dass die Redaktorin die Bauern nie schablonenhaft darstellt, sondern als facettenreiche und lernfähige Menschen.

James Heim, per E-Mail

Wer hats erarbeitet?

«Diesseits von Gut und Böse: Zürcher Schlachtplatte», WOZ Nr. 24/25

«Ihr Vermögen erwarb […] durch die Ehe mit einem Bauunternehmer, der sich die Millionen zuvor erarbeitet hatte», kann man in der WOZ lesen.

Etwas journalistische Sorgfalt und sprachliche Genauigkeit täten gut! Es müsste doch heissen: « … mit einem Bauunternehmer, dessen Arbeiter:innen und Angestellte zuvor Millionen (für ihn) erarbeitet hatten». Dazu als Lektüre zu empfehlen ist: Bertolt Brechts «Fragen eines lesenden Arbeiters» (historisch, darum nicht gegendert).

Hans-Peter Fürst, per E-Mail