Im Affekt: Am Ende des Velotunnels

Nr. 26 –

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Womöglich hat man es auch anderswo im Land mitbekommen: Zürich, seinem Selbstverständnis nach bekanntermassen die wahre Hauptstadt der Schweiz, hat einen neuen Velotunnel. Wow, krass, man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hat das sonst nur nominell rot-grün regierte Zürich gerade den städtischen Veloverkehr revolutioniert?

Etwas ist beim feierlichen Eröffnungstheater jedoch unterbelichtet geblieben: Der Prestigebau fürs Zweirad dient als Ablenkungsmanöver. Der Tunnel unter dem Hauptbahnhof soll vor allem kaschieren, was verkehrspolitisch sonst schiefläuft in der Stadt. Velopolitik, das heisst in Zürich: Pflästerlipolitik.

Signaletik ist ja eine Kunst der einfachen Kommunikation. In der Verkehrsführung bedeutet das: Je klarer die Signale, desto sicherer fliesst der Verkehr. Die Stadt Zürich zielt beim Velo aufs Gegenteil. Man kann das an vielen neuralgischen Punkten der Innenstadt beobachten. Abseits sogenannter Velovorzugsrouten herrscht oft der reinste signaletische Wildwuchs. Weil ein velopolitischer Masterplan fehlt, werden insbesondere Kreuzungen ad absurdum signalisiert: Hier noch ein paar gelbe Strichli auf dem Asphalt, da noch ein gelbes Spürli mehr für eine möglichst verwirrende Linienführung und dort ein kleines Ämpeli oder zwei extra für Velos. Und wenn wir schon dabei sind: Darfs für die Velos grad auch noch eine grosse Ampel auf der gegenüberliegenden Seite der Kreuzung sein, wo garantiert niemand hinschaut?

Es wirkt wie eine groteske helvetische Selbstparodie: Verkehrspolitik im Diminutiv. Als hätte man den Gestaltungsplan für die Signalisation an ein hyperaktives Kind delegiert, und das haben wir jetzt davon: einen Verkehrsgarten für Erwachsene. Und die ewige alte Klage der Bürgerlichen, dass im rot-grünen Zürich alles fürs Velo getan werde, aber nichts für den Autoverkehr? Könnte offenkundig verkehrter nicht sein: Velofahrende werden von der städtischen Verkehrspolitik nicht ernst genommen; sie werden infantilisiert.

Was passieren tät, wenn man den Autoverkehr so signalisieren würde? Kann man sich denken: Massenkarambolage à gogo!