Im Affekt: Per Schnellzug ins gelobte Land

Nr. 27 –

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Europa stöhnt über extreme Temperaturen: Für fast ganz Frankreich wurde Hitzealarm gemeldet, Spanien registrierte gar neue Juni-Rekordwerte von 46 Grad. Aber auch im Zentrum des Kontinents sind die Zeiten passé, als man in Richtung Süden musste, wenn man es mediterran wollte. Und da Fernreisen via Flugzeug sowieso zu vermeiden sind, um die ganze Wettermisere nicht noch weiter zu befeuern, liegt es nahe, Ferien in der unmittelbaren Nachbarschaft zu machen. Deutschland zum Beispiel soll viel zu bieten haben: pulsierende Städte (im trendigen Nordrhein-Westfalen etwa), eine herzhafte Küche (Kartoffeln, Kebab) und tolle Menschen (überall).

Allerdings gibt es da das Problem namens «marode Infrastruktur». Diese abstrakt klingende Diagnose wird nirgendwo konkreter als bei einer Fahrt mit der Deutschen Bahn, wie Vielreisende wissen – und auch gern berichten. Es handelt sich hierbei nicht nur um anekdotische Evidenz: Laut der aktuellen Verspätungsstatistik war von Januar bis Juni mehr als ein Drittel der deutschen Fernzüge unpünktlich. Man wolle sich in dem Punkt verbessern, versprach der Deutsche-Bahn-Chef Richard Lutz angesichts der niederschmetternden Zahlen. Zugleich aber relativierte er, dass dies «ein täglicher Kampf» bleiben werde, was jetzt nicht unbedingt hoffnungsfroh stimmt, zumal der Satz bereits für das Leben als solches zutrifft.

Immerhin durfte das Unternehmen auch einen Erfolg vermelden: Ein ICE-Testzug erreichte auf der Strecke zwischen Leipzig und Erfurt die Rekordgeschwindigkeit von 405 km/h. Wann das neue Modell mit dem windschnittigen Namen «Velaro Novo» im regulären Bahnverkehr zum Einsatz kommen wird, ist noch offen. Trotzdem scheint da nun ein Silberstreifen am Horizont aufgetaucht zu sein. Allerdings nur fast: Trotz zwischenzeitlichem Spitzentempo erreichte der Testzug sein Ziel am Ende mit mehr als einer halben Stunde Verspätung. Bei einer Distanz von etwas mehr als hundert Kilometern wohlgemerkt.

In Japan sollen alle Fernzüge addiert jährlich kaum eine Minute Verspätung haben. Um das selbst zu überprüfen, muss man allerdings in den Flieger steigen.