Im Affekt: Die Vermessenheit der Welt

Nr. 41 –

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Fliegende Autos, Raketenrucksäcke und Zeitreisen hat uns die Science-Fiction einst versprochen. Was wir stattdessen gekriegt haben: Elektrotrottinette, Spam und viel Ärger mit einem von Rechtsradikalen und Milliardären unterwanderten World Wide Web.

Jüngst landete allerdings etwas im E-Mail-Fach – ziemlich sicher kein Spam –, das wenigstens ansatzweise an kühne Zukunftsfantasien andocken kann. Allerdings am ehesten an solche der intellektuellen oder satirischen Sorte. Eine Firma in Bubikon bietet ein KI-Tool an, das, grob gesagt, den Mist aufräumt, den andere KI-Tools angerichtet haben. Oder etwas feiner formuliert im Firmensprech: «Milliarden KI-generierte Texte und Bilder fluten jährlich den Markt. Die Folge: Austauschbarkeit – Marken verlieren ihr emotionales Profil». Die neue Anwendung: quasi ein KI-Leuchtturm in der KI-Flut.

Uns fallen spontan noch ein paar weitere Probleme ein, die durch Milliarden von künstlich generierten Texten und Bildern entstehen könnten. Aber klar, dass Marken ihr «emotionales Profil» verlieren: auch schwierig. Die dazu gemachten Beispiele: Turnschuhe, in rotes oder blaues Licht getaucht, und drei – zumindest für unsere beschränkte menschliche Intelligenz – ungefähr gleich bescheuert klingende Bankenslogans. Das Versprechen: Die Anwendung überprüfe im «Emo-Check», ob «die ausgelösten Emotionen mit den definierten Soll-Emotionen übereinstimmen». (Beim Slogan entscheidet sie sich übrigens für «Banking am Beat der Zeit», Emotion durch Alliteration, auffallend altmodisch.)

Möglicherweise ist es beruhigend, dass uns die KI-Tools nun auch noch die Gefühle abnehmen. Unsere Arbeit besteht wohl bald nur noch darin, mit einem Kaffee in der Hand den verschiedenen KI-Tools dabei zuzuschauen, wie sie sich gegenseitig korrigieren, übertrumpfen, bekriegen. Ab und zu bestellen wir uns etwas im Internet und bestätigen dabei einer weiteren KI-Anwendung betont beiläufig unsere Menschlichkeit, indem wir alle Bilder mit Brücken oder Verkehrsampeln drauf korrekt anklicken.

Bereits die alte Bankenwerbung «Lassen Sie Ihr Geld für sich arbeiten» barg einige Tücken. Mit der KI könnte das Delegieren erst recht schiefgehen.