Im Affekt: Der Sänger für alle

Nr. 43 –

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Er sei in erster Linie Musiker, sagte Bligg vor fünf Jahren in einem grossen Interview im «Blick»: «Es muss nicht immer alles Politik sein.» Es ging darin um seinen damals erschienenen Song «Sorry Mama», den der Zürcher Mundartmusiker gemeinsam mit dem Sänger Marc Sway aufgenommen hatte. Im Lied besingen die beiden pathetisch die «Mutter Erde». Bliggs sprechartiger Gesang erinnert noch leise daran, dass der poppige Volksmusiker einst ein Rapper war: «Hesch eus allne s’Läbe gschänkt, billionäfach gebärt, eus gschtillt und ernährt, es Läbe lang behärbärgt.» Dass es der Song nicht zur Hymne der Klimabewegung geschafft hat, zeugt wohl vom guten Musikgeschmack der Aktivist:innen.

Das kann man von der SVP nicht behaupten. Spätestens seit ihrem selbstgeschriebenen Lied «Das isch d’SVP» sind deren musikalische Vorlieben kein Geheimnis mehr. So ist es auch nicht überraschend, dass die Partei am Montag die Medienkonferenz über den «EU-Unterwerfungsvertrag» ausgerechnet mit einem Song von Bligg startete: «Mundart» handelt von den verschiedenen Schweizer Dialekten – in die er dann jeweils selber wechselt. Unterlegt ist das alles mit lüpfiger Tanzmusik.

Bei Bligg sind am Ende alle gleich: «Eine för all, all för eine» – aber zu den «allen» gehören diejenigen ohne Schweizer Pass nach SVP-Lesart eben nicht dazu. Dass die Partei Bliggs Song zur Anti-Europa-Hymne machen will, liegt womöglich daran, dass sich dieser seit Jahren krampfhaft bemüht, sich mit Schweiztümelei als Volkssänger zu verkaufen. Das macht er so gut, dass die SVP tatsächlich vergessen hat, dass Bligg vor vielen Jahren den Song «Fuck Blocher» sang. Nebenbei hat die Partei auch «vergessen», die Erlaubnis zur Verwendung des Songs einzuholen – was einiges über ihr Kulturverständnis aussagt.

Der Sänger für alle hat übrigens auch ein Stück mit dem Titel «Secondos». Da singt er: «Das isch min Immigrante-Song / Sie gänd Bluet, Schweiss und Träne / Irgendwo imäne andere Land / Was wäred mir nume ohni sie?» Immerhin, den wird die SVP wohl nie an einer Pressekonferenz spielen.

Bligg war auch Werbepartner des Fleischherstellers Bell. Das wird «Mama» nicht gefreut haben.