Die Lernwerkstatt

Fachkräftemangel in der Gastronomie: Die Jungen wollen Veränderungen

Fast jede:r dritte Auszubildende in der Gastronomie löst vorzeitig den Lehrvertrag auf. Fred Heinzelmann, Direktor der Hotelfachschule Zürich, über die Gründe für den alarmierenden Trend.

Symbolfoto: Kochtöpfe in einer Gastronomie-Küche
Die Töpfe dampfen, die Köche fehlen: Der Kampf gegen den Fachkräftemangel in der Gastronomie. Foto: Marija Popvic

Lange Arbeitszeiten, geringe Bezahlung, mangelnde Unterstützung seitens der Ausbilder:innen und belastende Aufgaben prägen häufig die Lehrzeit. Gemäss Fred Heinzelmann, Direktor der Hotelfachschule Zürich, sind in der Gastronomiebranche die Arbeitszeiten die Hauptursache für den Fachkräftemangel. «Doch die unregelmässigen Arbeitszeiten liegen in der Natur des Geschäfts», so der Fachmann. «In der Gastronomie und der Hotellerie steht der Gast, der diese Dienstleistungen nachfragt, im Mittelpunkt. Daher ist es für Arbeitnehmer wichtig, flexibel zu sein.» Flexibilität sei vor allem verlangt in den Zeiten, in denen die meisten Feiern und Veranstaltungen stattfinden, etwa samstags, sonntags sowie abends. Die Gelegenheit, freie Zeit zu geniessen, biete sich, wenn die Anzahl Gäste geringer sei – wenn die Gäste beispielsweise im Winter auf der Skipiste seien.

Die Arbeitnehmerorganisation «Hotel & Gastro Union» führte 2023 eine Umfrage unter 2000 Lehrlingen, die in der Gastronomie arbeiten, durch. Diese zeigt: Über die Hälfte der Befragten bewertet das Image der Branche als ungenügend bis schlecht. Zudem würden 55 Prozent der Befragten den Beruf wegen der Arbeitszeiten nicht weiterempfehlen.

Es liegt nicht an der «Gen Z»

Gemäss Bundesamt für Statistik verlässt ein Fünftel der ehemaligen Lehrlinge die Branche nach Abschluss der Ausbildung. Die Umfrage der «Hotel & Gastro Union» zeigt, wie auch Heinzelmann vermutet, dass die Arbeitszeiten ebenfalls der Hauptgrund für das Ausscheiden aus der Branche nach Abschluss der Lehre sind. Drei Viertel der befragten Auszubildenden leisten monatlich Überstunden. Frust entsteht auch durch mangelnde Wertschätzung, niedrige Löhne und schlechte Planbarkeit.

Wie jüngst die NZZ berichtete, teilen auch junge Bündner Hoteliers diese Ansicht. An der Delegiertenversammlung Ende Januar widersprachen einige von ihnen, darunter Jamie Rizzi – stellvertretender Gastgeber im Hotel Schweizerhof in der Lenzerheide – öffentlich der als abwertend empfundenen Kritik von Ernst Wyrsch. Wyrsch, der ehemaliger Direktor des Davoser Hotels Belvédère, hatte sich in der Zeitung «Südostschweiz» dazu geäussert und findet, dass jüngere Lehrlinge in der Gastrobranche oder Hotellerie verweichlicht seien.

Portraitfoto von Fred Heinzelmann
Fred Heinzelmann, Direktor der Hotelfachschule Zürich. Foto: Marija Popvic

Auch Heinzelmann widerspricht der Behauptung von Wyrsch. «Solche pauschalen Aussagen kann ich nicht unterstützen. Ausserdem gibt es in allen Branchen Lehrabbrechende. Es ist entscheidend, jeden Fall eines Lehrabbruchs individuell anzuschauen. Es gab schon immer widerstandsfähigere Leute und solche mit höherer Sensibilität. Das kann man nicht an einer Generation festbinden. Ganz im Gegenteil erlebe ich viele Leute, die sehr leistungsbereit und leistungsfähig sind.»

Die jungen Bündner Hoteliers fordern Veränderungen in den Arbeitsbedingungen, darunter flexiblere Arbeitszeiten, flachere Hierarchien und mehr Wertschätzung. Ihr Ziel: Das mangelhafte Image der Branche soll wieder aufpoliert werden. Der Konflikt bringt die Unzufriedenheit der jungen Angestellten mit den bestehenden Arbeitsbedingungen in Hotels und Restaurants zum Ausdruck.

Veränderte Wertvorstellungen

Hoteliers reagieren auf die Forderungen nach Wandel mit verschiedenen Massnahmen wie der Abschaffung der Zimmerstunden und der Forderung nach höheren Löhnen. Grundsätzlich ist die Ausbildungsbereitschaft in der Branche nach wie vor hoch, jedoch gestalten sich die Besetzung von Lehrstellen und die Bindung von Lernenden als Herausforderung. Sogar im Ferienkanton Graubünden ist die hohe Abbruchquote bei Lehren im Gastgewerbe auffällig. Die Hotellerie muss sich an die veränderten Wertvorstellungen der jungen Generation anpassen.

Ein Blick auf die neuste Ausgabe des KMU-Monitorings der Zürcher Kantonalbank zeigt die zentrale Herausforderung des Fachkräftemangels im Kanton Zürich. Bei 71 Prozent der Unternehmen gibt es Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Personal. Die Studie zeigt, dass in der Gastronomie sogar 85 Prozent der Unternehmen mit Personalengpässen kämpfen.

Paradoxerweise finden viele Lehrstellensuchende keine Lehrstelle, gleichzeitig klagen die Lehrbetriebe über unbesetzte Lehrstellen. Der Grund dafür ist die unterschiedliche Beliebtheit der einzelnen Berufe und Betriebe. Betriebe mit gutem Ruf haben unabhängig von der Branche weniger Probleme, geeignete Lernende zu finden. Es liegt also auch an den Betrieben selbst, ein gutes Image zu schaffen.

Der Fachkräftemangel bleibt eine Herausforderung. Ein Umdenken muss zwingend stattfinden. Die Betriebe sind nun gefordert, geeignete Massnahmen zu ergreifen, damit auch in Zukunft der Gast König bleibt.

Symbolbild: gekühlte Dessertspezialitäten
Süsse Verlockung, leere Küchen. Fachkräfte im Mangel – die Herausforderung der Gastronomiebranche. Foto: Marija Popvic