Musik in Videogames: «Manchmal verwirft man alles wieder»

Eine grüne Landschaft erstreckt sich bis zum Horizont, und in der Ferne ist eine kleine Stadt in Sicht. Ein leichter Wind weht über die Wiesen, die Blätter der Bäume rascheln. Immer wieder tanzen Löhwenzahnsamen im Wind. In der Stadt trifft man auf fröhliche Gesichter, die Einwohner:innen widmen sich der Musik, dem Wein und den Festlichkeiten. Im Wald ist es ein bisschen ruhiger, friedlich. Vögel zwitschern in der Ferne, Eichhörnchen klettern auf den Bäumen herum. Manchmal sind auch Füchse oder Wildschweine in den Wäldern zu sehen. Man hört das Rascheln der Bäume und das Plätschern des Wassers. Dazu vernimmt man im Hintergrund sanfte, leise Musik.

Dies ist eine Szene aus dem Videogame «Genshin Impact», veröffentlicht im Jahr 2020. Im Spiel muss man durch verschiedene Regionen wandern und deren Götter treffen auf der Suche nach einem verlorenen Geschwister. Der Begriff «Videogame» setzt sich aus dem Wort «Video», das vom lateinischen «videre» (sehen) kommt, und aus dem Wort «game» (Spiel) zusammen. Videogames bestehen in erster Linie aus Bildern und Videos von Landschaften und Städten. Aber um Landschaften noch realistischer wirken zu lassen und um eine Atmosphäre zu kreieren, braucht das Spiel eine zweite Ebene: die Musik.

Wie wichtig ist die Musik für Videospiele? Und was für einen Effekt hat sie?

Spannung, Freude, Traurigkeit

Michel Barengo ist Komponist und spezialisiert auf die Musikproduktion für Games und Filme. In Europa und Asien führt er Livekonzerte auf. «Die Musik kreiert den ganzen ‹mood› des Spiels und ist daher sehr wichtig.» Musik hat eine emotionale Wirkung auf die Spieler:innen. Sie hat die Fähigkeit, Gefühle in den Spieler:innen zu verstärken und eine Stimmung festzusetzen – sie kann Spannung, Freude, Ruhe oder Traurigkeit erzeugen. Und das funktioniert, indem sich die Musik je nach Szene ändert. Zum Beispiel verändert sich die Musik, wenn ein Avatar von einer feindlichen Figur verfolgt wird oder mit ihr kämpft. So kreiert die Musik Spannung, vertieft Emotionen und hilft, diese darzustellen.

Durch die Musik im Videospiel wirkt eine Szene stärker auf die Spieler:innen. Sie fühlen sich mehr mit dem Spiel verbunden – deswegen wird je nach Spielart eine andere Musik verwendet. Gamemusik kann also sehr vielfältig sein. Für ein realistisches Racing-Game, in dem beispielsweise verschiedene Spieler:innen ein Wettrennen veranstalten, hat die Musik ein hohes Tempo und verursacht dadurch einen Adrenalinschub. Bei einem Puzzle-Game dagegen, bei dem man mit Geduld ein Rätsel lösen muss, ist die Musik eher ruhig und vermittelt den Spieler:innen, dass sie alle Zeit der Welt haben.

Die Kreation von Gamemusik ist ein kreativer und schwieriger Prozess: «Manchmal ist man stundenlang am Hadern, verwirft alles, stellt es wieder auf und verwirft es wieder», sagt Komponist Barengo.

Preisgekrönte Komponist:innen

In der Musik für Videogames steckt entsprechend viel Arbeit – und manchmal wird sie auch ein Erfolg ausserhalb des Spiels. So zum Beispiel beim Spiel «Genshin Impact». Die Musik wurde vom chinesischen Komponisten Yu-Peng Chen komponiert und vom London Philharmonic Orchestra in Zusammenspiel mit dem Shanghai Symphony Orchestra und weiteren Volksmusikant:innen in der Shanghai Symphony Hall aufgenommen. Dieses «Genshin Orchestra» gibt grosse Konzerte und tourt manchmal sogar weltweit.

Es gibt auch Preise, die man für die Soundtracks von Videogames gewinnen kann: zum Beispiel an den «Game Awards», die Preise für Leistungen in verschiedenen Kategorien der Computerspielbranche verleihen. Dabei sind mehrere Kategorien der Musik gewidmet. Die Verleihungen finden jährlich am Ende des Jahres statt und haben dieses Jahr ihr Zehn-Jahr-Jubiläum.

Auch die bekannten Grammy Awards prämieren neu seit 2023 Komponist:innen in der Kategorie «Best Score Soundtrack for Video Games and Other Interactive Media». Die Grammy Awards sind der begehrteste Preis für Komponist:innen von Videogamemusik.