Die Rückkehr des Baumeisters
Einst in der Schweiz ausgerottet, nun ist er wieder zurück: der Biber. Heute findet er hier eine völlig andere Welt vor als noch vor 200 Jahren. Das verursacht vielen Kopfschmerzen. Für den Kanton Zürich ist er Fluch und Segen zugleich.

Entlang den beiden Flüssen Sihl und Limmat entdeckt man immer wieder Spuren eines Nagetiers: abgenagte Bäume, daneben liegende Holzsplitter und Bauten aus kleineren Holzstämmen. Der Biber ist in die Stadt zurückgekehrt. Oberhalb des Flusses rauscht es unheilvoll. Früh am Morgen sind die Autos eine grosse Gefahr für den Biber. Doch in der Nacht gehört das Gebiet einzig und allein dem Baumeister der Gewässer.
«Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Biber in der Schweiz vollständig ausgerottet», sagt Caroline Nienhuis von der Biberfachstelle Zürich. Damals gab die Kirche vor, dass man am Freitag kein Fleisch essen darf. Der Biber galt aufgrund seines geschuppten Schwanzes aber als Fisch. Auch sein Fell war sehr wertvoll. Unter anderem aus diesen Gründen wurde er gejagt. Im 20. Jahrhundert versuchte man, den Biber wieder in der Schweiz anzusiedeln. Dafür fing man verschiedene Tiere in Frankreich, Deutschland und Russland ein und liess sie in der Schweiz frei. Diese Wiederansiedlung war ein voller Erfolg. Die Biber haben sich wieder verbreitet. Im Winter 2022 wurden in der Schweiz rund 4800 Exemplare gezählt.
Nicht alle haben Freude
Der Biber ist ein Herbivor, frisst also nur Pflanzen. Um genug Nahrung aufnehmen zu können, bedient er sich immer wieder auch an Feldern von Bäuer:innen, die daran keine Freude haben. Durch seine Bauten verändert er ausserdem den Wasserstand vieler Gewässer. Wenn er einen grossen Damm anlegt, kann das zu einer sogenannten Vernässung führen, was der Landwirtschaft erheblich schadet. Viele Bäuer:innen habe sogenannte Drainagen angelegt, um Wasser abzuleiten und die Felder optimal gedeihen zu lassen. Doch wenn der Wasserstand durch Biberbauten erhöht wird, funktionieren die Drainagen nicht mehr richtig, weshalb sich das Wasser in den Feldern staut. Viele Bäuer:innen sind deshalb keine grossen Befürworter:innen des Bibers.
Auch deshalb gibt es im Kanton Zürich seit ein paar Jahren eine Biberfachstelle. Sie ist da, wenn jemand ein Problem mit einem Biber hat. Wenn das Feld eines Bauern vernässt ist, kann er bei der Fachstelle anrufen. Es wird dann gemeinsam eine Lösung gesucht. Die drei Mitarbeiter:innen dieser Fachstelle werden vom Öko-Büro Fornat gestellt.
Wie die NZZ berichtet, tritt bald das revidierte Jagdgesetz in Kraft. Es sieht vor, dass Kantone den Biber künftig zum Abschuss freigeben dürfen, wenn diese erhebliche Schäden anrichten oder Menschen gefährden. Dies stösst aber bei verschiedenen Naturschutzorganisationen auf Widerstand. Sie kritisieren, dass dieses Tür und Tor für willkürliche Abschüsse der Biber öffne.

Gratis Biodiversität
Biber ernähren sich im Winter vor allem von Baumrinde und Ästen. Deshalb fällen sie mit ihren starken Zähnen Bäume, um zu ihrer Nahrung zu gelangen. Sie sind in der Regel dämmerungs- und nachaktiv und leben mit ihren Familien, die sie aber meist in einem gewissen Alter verlassen, um ein eigenes Revier zu finden. Wenn der Biber ein neues Gewässer erschliesst, ändert er dort oftmals die Topografie, indem er Dämme baut. Bei grossen Flüssen wie der Limmat muss er dies nicht tun, weil dort der Wasserpegel für ihn bereits hoch genug ist. Baut er Dämme, bewegt sich das Wasser dynamischer und fliesst nicht mehr nur geradeaus. Hinter den Dämmen lagern sich Sedimente ab. Diese sind sehr wichtig für die Biodiversität. Und durch die veränderte Dynamik der Gewässer bilden sich verschiedene Lebensräume, die sonst nicht entstehen würden. Wenn ein Biber einen Baum fällt und dieser ins Wasser kippt, bietet dieser kleineren Fischen Schutz. Das sind wertvolle Veränderungen, die der Biber gratis in die Stadt zurückbringt.
Nach Zürich gelangten die Biber durch die Limmat über den Kanton Aargau. Biber verbreiten sich immer flussaufwärts. In Zürich sind verschiedene Bäche mittlerweile von Bibern bewohnt. Aber die Biberpopulation wird nicht immer so stark ansteigen wie bisher. Sobald das ganze Zürcher Gebiet durch Biberreviere abgedeckt ist, werden sich die Tiere weiter die Flüsse und Bäche hinauf verbreiten. Auch in Zukunft wird es Probleme zwischen Mensch und Tier geben. Wichtig wird es sein, eine gute Balance zu finden.