Kosovo: Wie Russlands Zustimmung eingekauft wurde

US-Präsident Bill Clinton ist des Lobes voll über Russlands Einsatz für den Frieden im Kosovo. Der deutsche Kanzler dankt den Russen, ohne sie wäre man nicht so weit gekommen, sagt er. Wie weit das sein mag, wird sich noch herausstellen müssen. So viel aber ist sicher: In Moskau geht es widersprüchlich zu. Während der russische Sonderbeauftragte Wiktor Tschernomyrdin seinem Präsidenten über die erfolgreichen Friedensangebote berichtet, die er zusammen mit dem finnischen Unterhändler Martti Ahtisaari dem US-Vizeaussenminister Strobe Talbott habe abringen können, fordert sein Präsident erneut die sofortige Einstellung der Bombardierung, erklärt der amtierende Aussenminister, dass die Uno in allem das letzte Wort haben, vor allem aber die so genannten Friedenstruppen anführen müsse.

Gerade jetzt befindet sich Russland in hochnotpeinlichen Verhandlungen mit dem Londoner Club, einer Gruppe von etwa 600 Privatbanken und Investoren. Es geht um die fällige Rückzahlung von Kreditschulden in der Höhe von 578 Millionen US-Dollar. Angeschlagen durch den Bankenkrach vom Vorjahr ist Russland zudem ausserstande, seine Schulden von 150 Milliarden Dollar zu bedienen. Kurzfristig liegt der einzige Ausweg in der Auszahlung einer Kredittranche des IWF von 4,5 Milliarden Dollar, die der Fonds schon lange versprochen, aber immer wieder zurückgehalten hat.

Vor diesem Hintergrund erhält die Haltung Russlands in diesem Krieg ihren Sinn. Einerseits begreift sich das Land als Objekt der Nato-Strategie und als Anwalt einer entstehenden multipolaren Welt. In den Auftritten der Opposition, die keine Rücksicht auf internationale Verhandlungspartner nehmen muss, kommt das unmissverständlich zum Ausdruck, wenn Oppositionelle zum Widerstand gegen die «Aggression der Nato» aufrufen und eine aktive Rolle Russlands in der Weltpolitik fordern. Andererseits ist Russlands Regierung an der Stabilität der bestehenden, vom Westen dominierten Ordnung interessiert, weil ihr unmittelbares Überleben davon abhängt.

Boris Jelzins diplomatisches Doppelspiel spiegelt diese Situation zwischen Abhängigkeit von den USA und Aufbruch. Er lässt sein Personal, einerseits den Westler Tschernomyrdin, andererseits den eher nach Osten orientierten Iwanow einmal mit-, einmal gegeneinander agieren. Für die russische Politik ist der Krieg in Jugoslawien nur ein Spiel in dem grossen Turnier, das noch bevorsteht.