Die Hölle von Gaza

Le Monde diplomatique –

Sechs Monate nach Beginn der israelischen Militärintervention ist der Gazastreifen ein riesiger Friedhof. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums wurden seit Kriegsbeginn mehr als 33 000 Menschen getötet (Stand 4. April 2024). Tel Aviv bestreitet diese Opferbilanz, veröffentlicht aber keine eigenen Zahlen. Als US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am 29. Februar vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses von mehr als 25 000 Getöteten sprach, stellte Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh schleunigst klar, der Verteidigungsminister habe „eine Schätzung des Gesundheitsministeriums der Hamas zitiert“.

Während Israel die internationale Nahrungsmittelhilfe weiterhin blockiert, kam es in den ersten Wochen des Ramadans zu keiner Feuerpause. Die Verhandlungen zwischen Mossad und Hamas, bei denen ägyptische und katarische Diplomaten vermittelten, blieben bis zum 8. April ergebnislos.

Die festgefahrene Situation lässt die Angehörigen der in Gaza festgehaltenen Geiseln zunehmend verzweifeln und gibt dem Protest gegen Benjamin Netanjahu neue Nahrung. Der Regierungschef hatte sich gegenüber den Gesprächen in Kairo und Doha sehr reserviert verhalten. Viel wichtiger ist für ihn offenbar die Eroberung der Stadt Rafah im Süden der Enklave, wo 1,5 Millionen Palästinenser wie in einer Falle festsitzen.

Gleichzeitig muss man nach den israelischen Bombenangriffen im Südlibanon – und auf ein iranisches Botschaftsgebäude in Damaskus – das Schlimmste befürchten: einen Flächenbrand im Nahen Osten, dessen Folgen insbesondere für die palästinensische Bevölkerung im Westjordanland niemand vorhersagen kann.

Vor diesem Hintergrund hat der UN-Sicherheitsrat am 25. März endlich eine Resolution verabschiedet, die einen „sofortigen Waffenstillstand“ in Gaza fordert. Der Beschluss wurde durch die Enthaltung der USA ermöglicht, obwohl das Weiße Haus, um Tel Aviv zu besänftigen, eilends versicherte, der Text bedeute keinen „Kurswechsel“ in den amerikanisch-israelischen Beziehungen. Washington erklärte sogar, dass die Resolution „nicht bindend“ sei.

Die Behauptung ist schlicht falsch: Die im Text formulierte Forderung ist unmissverständlich, und jede Entscheidung des UN-Sicherheitsrats hat völkerrechtliche Bindungskraft, die jedes Mitglied der Vereinten Nationen respektieren muss.

Am Tag nach der Abstimmung hatte sich, außer dem vorübergehenden Zerwürfnis zwischen Tel Aviv und Washington, „on the ground“ nichts geändert. Israel bombardierte den Gazastreifen weiter und ließ keine Lastwagen des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten in die Enklave einfahren. Zumindest einen kleinen Hoffnungsschimmer gab es am 5. April, als Israel auf massiven amerikanischen Druck hin ankündigte, es werde den Übergang Erez im Norden vorübergehend für Hilfslieferungen öffnen.

Akram Belkaïd