Rüstung und Austerität

Le Monde diplomatique –

Die Nato-Mitgliedschaft Finnlands ist nicht umsonst zu haben. Und der Preis weicht, wie sich neuerdings zeigt, erheblich von den ursprünglichen Einschätzungen ab. Die gingen davon aus, dass das Land – mit seiner 1340 Kilometer langen Grenze zu Russland – seine Sicherheit ohne merklich höhere Kosten gewährleisten könnte.

Die Sicherheitspolitik Helsinkis hatte sich bereits nach dem Ende des Kalten Kriegs schrittweise von der traditionellen Neutralitätspolitik entfernt. Ab 1997 war man durch den Beitritt zur „Partnerschaft für den Frieden“ locker mit der Nato assoziiert; seitdem hat man vor allem eine enge Rüstungspartnerschaft mit der Nato-Führungsmacht USA entwickelt, die Anfang Februar 2022 in der Anschaffung von US-amerikanischen Stealth-Kampfjets (Typ F-35) für die finnische Luftwaffe gipfelte.

Unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine begann die Regierung der Sozialdemokratin Sanna Marin im August 2022 Verhandlungen mit Washington über eine bilateriale Verteidigungskooperation, die im Oktober 2023 mit der Unterzeichnung eines Defence Cooperation Agreement (DCA) durch die Rechtsregierung von Petteri Orpo abgeschlossen wurden.

Auch der Antrag auf die Nato-Mitgliedschaft wurde im Mai 2022 noch von der Regierung Marin gestellt, der Beitritt zum Bündnis dann aber am 4. April 2023 unter Orpo vollzogen. Eine weitere Folge des Ukrainekriegs war der Austritt aus der Ottawa-Konvention von 1997, der am 19. Juni 2025 vom finnischen Parlament abgesegnet wurde.

Damit ist Finnland – wie auch Polen und die baltischen Nachbarstaaten – nicht mehr an das Verbot der international geächteten Antipersonenminen gebunden. Auch die Ukraine, wo schätzungsweise 20 bis 25 Prozent der Landesfläche mit russischen Minen verseucht ist, steht kurz vor dem Austritt aus der Ottawa-Konvention.

Die Annäherung Finnlands an die Nato hat also schon lange vor der russischen Invasion der Ukraine begonnen. Doch unter der Regierung des Rechtskonservativen Orpo, in der die rechtsextreme Partei Die Finnen zweitstärkster Koalitionspartner ist, zeigt sich von Tag zu Tag klarer, wohin die Reise geht. Wobei die zunehmende Militarisierung der Politik allerdings auch von der Opposition unterstützt wird.

Die Nato hat auf Drängen der USA beschlossen, dass die nunmehr 32 Mitgliedstaaten ihre Verteidigungsausgaben bis 2035 auf 5 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP) – davon 3,5 Prozent für reine Rüstungsprojekte – aufstocken werden. Diese Übereinkunft wurde am 25. Juni auf dem Nato-Gipfel in Den Haag formalisiert.

Für Finnland bedeutet dies eine Verdoppelung des Militärhaushalts, der von 2020 bis 2024 bereits von 1,43 auf 2,41 Prozent des BIPs angestiegen war. Dennoch opponierten im Parlament nur ganz wenige Abgeordnete gegen die neue Zielvorgabe. Und was den Ausstieg aus der Ottawa-Konvention betrifft, so votierten bei der Abstimmung im Parlament am 19. Juni nur die Fraktion der Linksallianz geschlossen dagegen sowie einige Mitglieder der Grünen Liga und ein Abgeordneter der Partei der schwedischen Minderheit (RKP).

Der neuerliche Anstieg der Verteidigungsausgaben, der jetzt ins Haus steht, betrifft zum einen die laufenden operativen Kosten, vor allem aber die Aufstockung der militärischen Hardware und die Finanzierung langfristiger Aufrüstungsprojekte. Das Verteidigungsbudget für 2025 sieht eine Steigerung auf 6,5 Milliarden Euro vor, was 2,5 Prozent des BIPs und 7 bis 8 Prozent des Gesamthaushalts entspricht.1

Die neuen Zielvorgaben der Nato würden die Militärausgaben auf lange Sicht auf 15 Prozent der gesamten Staatsausgaben verdoppeln. Zum Vergleich: Das Budget des Erziehungs- und Kulturministeriums beläuft sich derzeit auf etwa 11 Prozent des Gesamthaushalts.

Bei alledem ist zu beachten, dass Finnland – anders als die meisten europäischen Staaten – eine Wehrpflichtigen-Armee hat, die im Unterhalt deutlich billiger ist als eine Berufsarmee. Diese Kostenersparnis ist zwar nicht völlig präzise zu ermitteln, aber in einer neueren Studie wird sie auf 0,4 Prozent des BIPs geschätzt (basierend auf dem Durchschnittslohn).

Wie können die zusätzlichen Militärausgaben finanziert werden? Päivi Puonti vom Wirtschaftsforschungsinstitut Etla sieht drei Wege, von denen er aber nur einen für gangbar hält: Eine höhere Verschuldung sei allenfalls eine kurzfristige Lösung; auch eine Rücknahme der erst im April verabschiedeten steuerlichen Entlastung von Besserverdienenden und Unternehmen in Höhe von insgesamt 2 Milliarden Euro ist für das wirtschaftsnahe Etla keine Option.2

Für Puonti bleibt damit als einziger Ausweg nur die „Anpassung“, sprich Kürzung der übrigen Staatsausgaben, die er letztlich für „unausweichlich“ hält.

Dabei betreibt die stark rechtslastige Regierung in Helsinki bereits seit ihrem Amtsantritt im Juni 2023 eine harte Austeritätspolitik, mit der sie einen ausgeglichenen Staatshaushalt erzielen will. Für ihre bis 2027 dauernde Regierungsperiode plant sie alljährliche Ausgabenkürzungen in Höhe von 9 Milliarden Euro, die vor allem diverse Sozialleistungen, das Arbeitslosengeld, das Gesundheitswesen und Ausgaben für die Integration von Migrant:innen betreffen sollen.

Auch die öffentlichen Investitionen und die allgemeinen Verwaltungskosten sowie die Kosten der Entwicklungszusammenarbeit sollen zurückgefahren werden. Dagegen sollen indirekte Steuern wie die Mehrwertsteuer, die ärmere Schichten überproportional belasten, weiter erhöht werden.

Ihren klarsten Ausdruck findet die klassenpolitische Tendenz dieser Sparpolitik in der Regelung, dass die Mitgliedsbeiträge für Gewerkschaften nicht mehr steuerlich absetzbar sein sollen.

Teemu Matinpuro, Mika Rönkkö

1 Kaitila Ville und Määttänen Niku, „Asevelvollisuuden kustannukset / The Costs of Conscription“, Etla Raportit – Reports 111, 26. April 2021.

2 Suvi Hautanen, „Suomalaisille tulossa hurja ‚Nato-pommi‘ – asiantuntijalta suorat sanat“, Ilta-Sanomat, 5. Juni 2025.

Aus dem Englischen von Niels Kadritzke

Teemu Matinpuro und Mika Rönkkö sind Redakteure der finnischen LMd-Ausgabe in Helsinki.

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