In den empathischen Widerstand!

Was war da gestern wieder los? Und wer hat da die Frauen gerichtet? Nicht nur die Alten waren es oder die Männer oder die Deutschweizer. Nein, es waren eben auch die Reichen! Alle zusammen haben gestern entschieden, dass die Frauen ein Jahr länger arbeiten müssen.

Ein Vogelflug über die blau gefärbte Kaltschweiz: zu den Pensionierten (67 Prozent Ja), die natürlich keine Lust auf noch mehr Frischpensionierte in ihren Wandergruppen haben – und wo einem so kurz vor der Ziellinie oft nicht viel mehr bleibt, als den Weiterlebenden die Pest an den Hals zu wünschen; zu den herausgeputzten Häuschen im Zugerland (65 Prozent Ja), mit ihren Carports für den Tesla, mit der Weber-Grill-and-Smoker-Station und der Minergietristesse – wo verständlicherweise niemand früher in Pension und mehr Zeit zu Hause verbringen will; zu den Executives an all den Goldküsten in ihren Finanzboutiquen, die nach ihrem Vierzigsten mit leerer Seele und vollem Konto in Frühpension gehen, um am Wägitalersee ein Ayahuasca-Retreat aufzumachen.

Nach Bern, in diese sonst so linke Stadt, wo der bescheidene Nein-Anteil von 58 Prozent auch nur so erklärt werden kann, dass die eigene Büez beim Bund ganz gut ausbalanciert ist und der Lohn gefühlt zwar deutlich zu tief liegt, objektiv betrachtet aber trotzdem fürs Eigentum im Breitsch reicht.

In die Stadt Zürich, wo die Ja-Anteile für die Rentenaltererhöhung noch höher lagen als in Bern, weil die Grünliberalisierung der Gesellschaft schon jedes gesunde Mass überschritten hat.

Was soll man mit dieser Schweiz anfangen, mit dieser grassierenden Empathielosigkeit, in der die eigenen Privilegien das Mass aller Dinge sind? Draufgeschissen! Auf die Strasse, in den empathischen Widerstand! In die Politik, wenn es sein muss, um die Dinge zu ändern. In den Jura (71 Prozent Nein) und ins Tessin, in Baselbieter Dörfer wie Duggingen und Rümlingen. Dorthin, wo die Frauen und die Männer wissen, was ein Jahr mehr Lohnarbeit bedeutet: ein Jahr mehr Krampf und Erniedrigung und Erschöpfung.

Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch.