Zucker fürs Volk

Am Wochenende ist Dietrich Mateschitz an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. In den Medien folgten Nachrufe, in denen der Red-Bull-Chef als Visionär und Förderer beschrieben wird. Ergreifend.

Mateschitz hatte immer wieder kritischer Auseinandersetzung den Riegel geschoben. Dies tat er mit einer effektiven Methode: Kritik hartnäckig zu ignorieren und beharrlich auszuschweigen. Diese Praxis machte er zu einem Teil der Kommunikationsstrategie seines Unternehmens. Der Konzern stellt die Inhalte, die die Medien verbreiten sollen, lieber selbst her: Das 2007 gegründete Tochterunternehmen Media House produziert diese Inhalte, die über den «Red Bull Content Pool» für andere Medien frei zugänglich sind oder über eigene Publikationskanäle wie «The Red Bulletin» oder Servus TV verbreitet werden.

Der Schlüssel zum finanziellen Erfolg des Unternehmens: die Story. Red Bull ist bloss ein zucker- und taurinhaltiges Getränk. Und das soll Flügel verleihen? Seine Hauptzutat, Zucker, macht auf Dauer träge. Alle Marketingaktivitäten von Red Bull zielen darauf ab, Attribute wie «aufregend», «mutig» oder «energetisch» auf das Getränk zu übertragen. Deswegen die Megaevents, der spektakuläre Content, die Investitionen in Extremsportarten, in die Formel 1, den Fussball, in die Kultur. Omnipräsent: der unausgesprochene «Call to Action» (Kauf eine Dose!) in den draufgängerischen Handlungen der gesponserten Prot­ago­nist:in­nen. Raffiniert!

Doch: Mateschitz war autoritär und rechts. Als 2016 die Belegschaft seines Fernsehsenders Servus TV einen Betriebsrat gründen wollte, verhinderte Mateschitz dies. In der Covid-Krise wurde der Sender zu einem der Leitmedien für Mass­nahmen­gegner:in­nen. Auch weil auf dem Sender immer wieder Co­rona­leug­ner:in­nen zu Wort kamen und unwissenschaftliche Positionen verbreitet wurden. In den Jahren zuvor hatte Mateschitz «alternative Medienprojekte» gegründet, die ein Gegengewicht zu den «Mainstreammedien» bilden sollten. Er selbst äusserte Sympathien für Donald Trump und positionierte sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Syrienkrieg.

Die Nachrufe auf Mateschitz lesen sich trotzdem wie Lobeshymnen. Ganz im Sinne des Verstorbenen also. Der Zucker zeigt seine Wirkung.

Mona Molotov ist die meinungsstärkste Möwe des Landes. Sie schreibt regelmässig im «Zoo» auf woz.ch.