Klimaberichterstattung: Alles besser mit Bill
«Die Klimabewegung zerfällt. Ist das eigentlich schlimm?», fragte die «Zeit» im Oktober. Und kam zum Fazit: Nein, eine Welt, «in der die Energiewende kein linksgrünes Projekt mehr ist», könnte «sogar von Vorteil sein». Weniger Demos, mehr Fokus auf technische Lösungen: Das sei eine Chance. «Allerdings gilt dies nur dann, wenn es genügend Konservative und Liberale gibt, die es aus Einsicht und Anstand unterlassen, mit der Sabotage von Emissionsminderungen politisch punkten zu wollen.»
Danach sieht es nicht gerade aus. Populärer ist eine andere Haltung: Wenn die Lösung nicht in Sicht ist, behaupten wir doch einfach, das Problem sei nicht so schlimm. Bill Gates machts vor. «Die Menschen werden in absehbarer Zukunft an den meisten Orten der Erde leben und gedeihen können», meint der Techmilliardär. Armuts- und Krankheitsbekämpfung seien wichtiger als Klimaschutz.
Nun ist Gates weder Klimawissenschaftler noch bekannt für zutreffende Analysen. Doch die Tamedia-Zeitungen nehmen den Ball dankbar auf. Dass der «Nebelspalter»-Verleger Markus Somm Gates’ Aussagen im «Tages-Anzeiger» bejubeln darf, ist als Kolumnist sein gutes Recht. Aber dann muss auch noch Andreas Kunz, Mitglied der TA-Chefredaktion, nachdoppeln: «Der neue Klimarealismus tut gut.» «Klimarealismus» heisst nach Kunz: Wir erreichen die Klimaziele eh nicht, aber das macht nichts, denn «Tausende Ingenieure, Forscherinnen und Entwickler» haben «im Kampf gegen den Klimawandel schon Spektakuläres geschafft». Zum Beispiel beim Katastrophenschutz (der kein Kampf gegen den Klimawandel ist, aber was solls). Und überhaupt: «Dank künstlicher Intelligenz wird die Forschung bald einen Schub erhalten, den wir uns heute nicht vorstellen können.»
Während Meteoschweiz immer heftigere Hitzewellen und Starkniederschläge prognostiziert, die Klimaforschung vor irreversiblen Kipppunkten warnt (siehe WOZ Nr. 41/25) und der CO2-Ausstoss neue Rekorde erreicht, ist zumindest in einem Bereich eine sinkende Kurve zu vermelden: beim Niveau der Tamedia-Klimaberichterstattung.
