LeserInnenbriefe

Nr. 27 –

Legitim angepisst

«Für einen Neandertaler wäre auch Zizek ein ‹Schneeflöckchen›. So what? Die Steinzeit ist vorbei.», WOZ Nr. 25/2017

Fabian Ludwigs Analyse der Funktion der Political-Correctness-Rhetorik endet mit der schwammigen Strategie, «das obszöne Geniessen nicht in ihr Programm (das der Linken)» einzuschreiben. Na ja! Ein bisschen mehr Mut zur Selbstkritik darfs schon sein: Die Alternative dazu wäre aufzuzeigen, was Freiheit ist; dass Freiheit nicht das ist, was vorherrscht, sondern dass Freiheit Möglichkeiten, den eigenen Bedürfnissen gerecht zu werden, bedeutet. Das bedeutet aufzuzeigen, dass Sexismus, Rassismus und Nationalismus konstruierte Normensysteme sind, die Freiheit nehmen, weil sie Menschen aufgrund vermeintlich natürlicher Kategorien normieren und folglich entindividualisieren; es bedeutet aufzuzeigen, dass, wer im Kapitalismus kaum Geld hat, auch kaum Möglichkeiten, daher kaum Freiheit hat; es bedeutet aufzuzeigen, dass all das Hierarchien sind, die als solche jedem nur halbwegs brauchbaren Freiheitsverständnis widersprechen.

Und all das sollte die Linke – wenn sie endlich vorwärtskommen will – nicht mit einer belehrenden altruistischen Rhetorik vertreten, sondern mit dem klaren radikalen Standpunkt: Ich ermächtige mich jetzt selbst; hol mir die Freiheit, die mir all jene hierarchischen Systeme verunmöglichen. Wer mitmachen will, sich also selbst ermächtigen, sich emanzipieren und sich gegen Hierarchien stellen will, soll mitmachen. Wer weiter in Unfreiheit leben will, soll doch auch das machen, solange ich, sprich andere davon unbeeinflusst bleiben. Das bedeutet dann halt in letzter Konsequenz, dass unser hegemoniales System, das voll Hierarchien ist, keinen Platz mehr hat. Aber hey, good News für all die masochistischen HierarchistInnen: Euch bleibt die Religionsfreiheit. Die genervte, ja «angepisste» Art ist dabei nicht nur legitim, weil Hierarchien schlicht unterdrückend sind, sondern auch notwendig, um sich authentisch gegen Hierarchien zu stellen und um aus der Belehrung der Menschen herauszukommen und Tacheles zu reden.

Ein solcher Diskurs lässt dann an eine Denunzierung durch selbstmitleidiges Klagen über Political Correctness nicht einmal mehr denken. Denn er nimmt subjektiv die genau gleiche Funktion wie die Klage über die Political Correctness ein: Er verspricht Freiheit, ein Ende der hierarchisierenden Normen und damit ein Ende der Hierarchien selbst. Er verspricht Selbstermächtigung. Nur nimmt ein solcher Diskurs diese Funktion eben auch objektiv ein …

Diego Gehrig, per E-Mail

Appell an die «Lohnsklaven»

«Die nationale Politik ist zur Geisel der Investoren geworden», WOZ Nr. 25/2017

Da widerspricht sich der Harvard-Ökonom Dani Rodrik aber fundamental! Die sogenannten Linken können bei Wahlen nur national gewählt werden. Auch wenn sie sich noch so internationalistisch geben. Das ist so und war immer so (Rüstungskredite vor dem Ersten Weltkrieg) und wird auch so bleiben. Wir haben nicht zu wenig Patriotismus, sondern zu viel. Denn der Feind ist immer auch im eigenen Land. Das (jetzt auch) globalisierte Gesamtkapital kennt weder Grenzen noch Nationen, es tut nur so und täuscht damit seine Gegner, und das sind die Lohnsklaven aller Welt. Die Parole hiess und heisst immer noch «Für Gott und Vaterland».

Lohnsklave, warum lässt du dich so verarschen? Musst du tatsächlich zuerst wieder in einen Krieg ziehen, bis du dich erhebst und nicht mehr auf die liberalen Scheisser (68er-Jargon) hörst?

Paul Jud, per E-Mail

Corbyn und die Medien

«Auf allen Kanälen: Ach, dieser ewige Rebell», WOZ Nr. 24/2017

Gratuliere, endlich ein Artikel, der auf diese offensichtliche Schieflage in den Medien hinweist. Ich frage mich, ob diese weitgehenden Parallelen nur mit «Scheren im Kopf» oder noch weiteren Beeinflussungen zustande kommen.

Ulrich Heiniger, Castaneda