Wirtschaftliche Globalisierung: «Die nationale Politik ist zur Geisel der Investoren geworden»
Der liberale Harvard-Ökonom Dani Rodrik ist einer der prominentesten Globalisierungskritiker. Was unterscheidet ihn von US-Präsident Donald Trump? Die WOZ hat Rodrik zum Gespräch getroffen.
WOZ: Dani Rodrik, wie Donald Trump kritisieren Sie die Globalisierung. Was unterscheidet Sie von ihm?
Dani Rodrik: Bereits als ich mich 1997 mit meinem Buch «Ist die Globalisierung zu weit gegangen?» kritisch mit dem Weltwirtschaftssystem auseinandersetzte, hatte ich den Rechtsnationalismus vor Augen. Dessen Aufstieg zeichnete sich bereits ab. Ich kam zum Schluss, dass wir die Nachteile verstehen und bekämpfen mussten, die die Globalisierung für gewisse Leute mit sich bringt – sonst würde sich der nationalistische Rückschlag verstärken. Ich hoffte auf eine intelligente Reform der Globalisierung. Leider vergebens.
Was gefällt Ihnen an Trumps Globalisierungskritik nicht?
Seine Politik ist stark von autoritären Zügen geprägt. Trump versucht, die Fundamente der liberalen Demokratie zu untergraben. Seine rassistischen Töne gegenüber Ausländern schwächen den Zusammenhalt der Gesellschaft. Dieser Autoritarismus ist meine grösste Sorge. Von seiner Wirtschaftspolitik halte ich nichts. Seine Rhetorik schwankt zwischen einem pauschalen Protektionismus, der die wirtschaftlichen Probleme mit dem Vorschlaghammer lösen will, und einer Politik, die den Interessen der Grossbanken wie Goldman Sachs dient.
Will er mit seiner protektionistischen Rhetorik nicht lediglich Wählerinnen und Wähler mobilisieren?
Trump hat einen protektionistischen Instinkt, gleichzeitig ist er jedoch ein pragmatischer Geschäftsmann. Ausserdem wird er durch sein Amt und seine Berater diszipliniert. Seine Wirtschaftspolitik ist geprägt von seinem Finanzminister Steven Mnuchin und dem Wirtschaftsberater Gary Cohn – beides ehemalige Goldman-Sachs-Leute. Die Nationalisten verlieren an Einfluss, seine gefährlichsten wirtschaftlichen Drohungen wird er nicht in die Tat umsetzen. Wir werden also keinen ökonomische Katastrophe erleben, gleichzeitig werden die USA unter ihm die Probleme der Globalisierung nicht angehen.
Die Globalisierung ist ja kein neues Phänomen. Ihr Grundstein wurde bereits nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt, nachdem der Protektionismus in den dreissiger Jahren überhandgenommen hatte.
Das stimmt, doch in der Nachkriegszeit dominierte ein rudimentäres Globalisierungsmodell. Unter dem Gatt-Regime, dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen, das 1948 in Kraft trat, wurden mehrmals Zollsenkungen beschlossen, doch sie bewegten sich in engen Grenzen. Die Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor blieben vom Regime ausgenommen, und auch im Güterhandel hielt sich die Liberalisierung in Grenzen. Als Entwicklungsländer die Industrieländer in der Textilindustrie zu konkurrenzieren begannen, setzten Letztere 1974 das Multifaserabkommen durch, das Quoten für Importe aus Entwicklungsländern einführte. Insbesondere die finanzielle Globalisierung gab es nur in Ansätzen: Kapitalverkehrskontrollen und andere Restriktionen zwischen den Ländern waren die Norm. All dies gab den Regierungen Raum, um eigene wirtschaftliche Ziele zu verfolgen.
Weil sie sich nicht davor fürchten mussten, dass die Investoren ihr Kapital in andere Länder abziehen …
Ja. Der britische Ökonom John Maynard Keynes hat sich bei der Aushandlung der wirtschaftlichen Nachkriegsarchitektur, des Bretton-Woods-Systems, erfolgreich für permanente Kapitalverkehrskontrollen eingesetzt. Er wollte den Regierungen eine eigenständige Geld- und Fiskalpolitik ermöglichen. Die Regierungen konnten in der Nachkriegszeit etwa eine expansive Ausgabenpolitik verfolgen, um die wirtschaftliche Nachfrage zu stimulieren, ohne mit einem Kapitalabfluss konfrontiert zu sein.
Und sie konnten die Steuern erhöhen oder ihren Arbeitsmarkt regulieren.
Ja, jedes Land konnte einen eigenen Wohlfahrtsstaat aufbauen und eigene sozialpolitische Ziele verfolgen. Obwohl das Gatt-System den Regierungen viel Spielraum liess, wuchsen der globale Handel und die globalen Investitionen in dieser Periode allerdings sehr schnell an. Meine Interpretation ist diese: Das Gatt hat in den einzelnen Ländern zu grossem Wohlstand geführt, der wiederum zu einem starken globalen Handel führte.
Und was geschah dann?
In den achtziger Jahren vergassen die Regierungen, dass die Globalisierung auf gesunden Nationalstaaten basiert. Spätestens mit der Gründung der Welthandelsorganisation WTO 1994 ging die Welt zu einem Freihandelssystem über, das einzelnen Ländern viel mehr vorschrieb. Das gilt auch für die finanzielle Globalisierung: Die Industriestaaten setzten innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Norm durch, dass die Länder die Grenzen für den Kapitalverkehr öffnen mussten. Wer in die OECD aufgenommen werden wollte, musste seine Kapitalverkehrsschranken aufheben.
Die Folge ist das, was Sie als «Trilemma der Globalisierung» bezeichnen. Von der Globalisierung, der Demokratie und der nationalen Souveränität kann man immer nur zwei auf einmal haben: Eine transnationale Welt lässt eine transnationale Demokratie zu, doch nicht mehr die nationale Souveränität.
So ist es. Die nationalen Regierungen sind heute in ihrer Wirtschaftspolitik sehr eingeschränkt, da sie immer darauf achten müssen, wie sich ihre Entscheide auf die Finanzflüsse auswirken. Zudem sind die Länder heute anfälliger für Finanzkrisen, weil die Investoren ihr Kapital auf einen Schlag abziehen können. Die nationale Politik ist zur Geisel der internationalen Investoren geworden.
Befürworter dieser Globalisierung würden entgegnen, dass sie Wachstum und Jobs bringe.
Jede erfolgreiche Volkswirtschaft steht auf zwei Beinen. Das eine Bein ist der Zugang zum Weltmarkt: Dieser bietet Exportmärkte, den Import von Ideen, Technologie, Rohstoffen. Das zweite Bein, das nicht fehlen darf, sind die eigenen wirtschaftlichen Fähigkeiten. Der Staat muss diese durch ein wirtschaftliches Management fördern. Er muss Steuern eintreiben, um die Bildung zu finanzieren. Setzt ein Land nur auf das erste Bein, begegnet es der Weltwirtschaft in einer Position der Schwäche, etwa als Exporteur von Rohstoffen oder simplen Gütern. Ab den neunziger Jahren haben viele Länder einen Freihandelsvertrag nach dem anderen unterzeichnet und die Grenzen Auslandsinvestoren geöffnet in der Hoffnung, dies werde Wachstum bringen. Vergeblich, Mexiko ist das beste Beispiel dafür.
Inwiefern?
Wenn Handelsverträge allein Wachstum brächten, müsste es keinem Land besser gehen als Mexiko. Es hat das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (Nafta) mit Kanada unterzeichnet und steht mit den USA mit einem riesigen Binnenmarkt in unmittelbarer Nachbarschaft. Trotzdem geht es dem Land wirtschaftlich schlecht, weil es den Aufbau eigener Industriezweige verpasst hat. Gegenbeispiele sind Südkorea, Taiwan, Singapur oder China: Sie haben sich dem Welthandel etwas geöffnet, gleichzeitig haben sie jedoch ihre Industrien subventioniert und unterstützt. Einige dieser Industrien wurden sehr erfolgreich. Hätte sich China an heutige WTO-Regeln halten müssen, wäre es nie so erfolgreich geworden.
Sie haben sich auch immer wieder gegen die neuen Freihandelsabkommen wie TTIP, Ceta oder Tisa geäussert, die derzeit verhandelt werden.
Ja, denn diese sind von den Interessen partikularer Gruppen geprägt, von Banken, Multis und der Exportindustrie. Die Abkommen sind für sie ein Weg, die nationalen Gesetze umzuschreiben: Was sie auf der Ebene der nationalen Demokratien nicht erreichen, versuchen sie in den Freihandelsverträgen festzuschreiben. Das TTIP, das zwischen den USA und der EU ausgehandelt wird, soll etwa einheitliche Umwelt- und Konsumentenstandards durchsetzen. NGOs sind zu Recht besorgt, dass die nationalen Demokratien damit in ihrer Freiheit eingeschränkt werden, eigene, weiter gehende Standards zu beschliessen.
Im Grunde sind es also keine Freihandelsverträge …
Früher war das Ziel von Freihandelsabkommen, Zölle zu senken und Importkontingente abzuschaffen. Es ging also um den Abbau von Barrieren an den Grenzen. Wie erwähnt sind die neuen Verträge jedoch ein Instrument für Firmen und Investoren, um nationale Gesetze zu ihren Gunsten umzuschreiben. Die Verträge dienen nicht dem Gesamtwohl. Hinter ihnen stehen Spezialinteressen, die für ihren Vorteil kämpfen.
Sie bezeichnen die heutige Situation als «Hyperglobalisierung». Wohin führt sie?
Statt dass die Globalisierung den einzelnen Ländern dient, haben nun die Länder der Globalisierung zu dienen. Die Globalisierung ist vom Mittel zum Zweck geworden. Ich habe bereits Ende der neunziger Jahre davor gewarnt, dass die Integration der Weltwirtschaft zu einer Desintegration der nationalen Gesellschaften führen wird. Während die Eliten, Banken und Grosskonzerne weltweit zusammenrücken, entfernen sie sich von all jenen, die nicht die Qualifikationen, das Kapital oder das soziale Netz besitzen, um von der Hyperglobalisierung zu profitieren – entsprechend hat auch die ökonomische Ungleichheit stark zugenommen. Viele Leute haben zu Recht das Gefühl, dass dieses globale Spiel nicht mehr in ihrem Interesse ist, dass sie zurückgelassen werden. Dieses Gefühl nützten und nützen Demagogen für sich aus.
Was ist Ihre Antwort auf diese Probleme?
Die Gesellschaften in den einzelnen Länder müssen wieder aufgebaut werden. Sie brauchen einen neuen Gesellschaftsvertrag, in dem die heutigen Eliten, die Technokraten und die Reichen mit dem Rest der Gesellschaft wieder zusammenfinden, der von der Hyperglobalisierung nicht profitiert hat. Das ist die grosse Herausforderung, die vor uns liegt.
Was bedeutet das konkret?
Vor allem in den USA ist das grosse Problem die wachsende ökonomische Ungleichheit. Das Land braucht eine Ausgabenpolitik, die zusätzliche Jobs schafft, progressivere Steuern, einen höheren Mindestlohn, stärkere soziale Sicherheitsnetze. Es braucht einen robusten Wohlfahrtsstaat. Zudem sollten die Verhandlungen über neue Freihandelsabkommen eingestellt werden. Wir müssen eine Globalisierung schaffen, die nicht nur dem Business, den Banken und den Exporteuren dient, sondern auch den Arbeitern und den Mittelschichten. Dazu brauchen die nationalen Regierungen wieder mehr Spielraum, um eigene wirtschaftspolitische Prioritäten verfolgen zu können. Das ist der einzige Weg, um wieder Vertrauen in die Globalisierung zu schaffen.
Sie wollen die Globalisierung retten, indem Sie deren Einschränkung fordern?
Eine progressive Politik beginnt nicht mit der Errichtung von Barrieren. Offenheit ist wichtig, wegen der Exportmärkte oder des Zugangs zu neuen Technologien. Falls die Globalisierung jedoch ein Hindernis ist, um eine progressive nationale Wirtschaftspolitik zu verfolgen, muss sie eingeschränkt werden. Droht etwa wegen eines politischen Entscheids Kapital abzufliessen, ist es nötig, Schranken einzuführen, um das zu verhindern. Etwas Sand im Getriebe des internationalen Finanzsystems ist nötig.
Ist die Globalisierung überhaupt noch einzudämmen? Ist die Macht der Investoren, Grosskonzerne und Banken nicht bereits zu gross?
Ich glaube nicht, dass wir ein Monster geschaffen haben, das wir nicht mehr bändigen können. Die heutige Globalisierung ist eine Kreation des Menschen, sie folgt den Regeln, die wir geschaffen haben. Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie neu aufgebaut werden kann. Viele Progressive weltweit fordern das schon längst. Was ihnen fehlt, ist jedoch die Besinnung auf den Patriotismus. Sie sollten den Rechtsnationalen nicht das Monopol auf diesen Patriotismus überlassen, sondern ihn für sich reklamieren.
Der Internationalismus war schon immer ein fester Teil der Linken.
Ja, doch sie ist damit im Nachteil. Die rechten Nationalisten können ihr ständig vorwerfen, dass sie für andere Interessen arbeitet.
Einst plädierten Sie für eine transnationale Demokratie, um die Globalisierung zu bändigen, nun fordern Sie mehr Patriotismus. Was ist passiert?
Ich dachte, dass die transnationale Demokratie am ehesten in Europa verwirklicht werden würde. Ich glaubte, dass Europa neben der Schaffung eines Binnenmarkts auch die Demokratie transnationalisieren würde und einen europaweiten Demos bilden könnte – begleitet von einer Aushöhlung der nationalen Souveränität. Wäre es 2008 nicht zur Finanzkrise gekommen, würde sich Europa wohl nach wie vor auf dem Weg dorthin befinden. Heute ist das jedoch nicht mehr der Fall – und im Rest der Welt ist die Entstehung einer transnationalen Demokratie noch unwahrscheinlicher.
Was hat die Finanzkrise bewirkt?
Spanien, Portugal oder Griechenland sind nicht in Schwierigkeiten geraten, weil sie sich schlecht benommen haben: Wenn sie sich zu viel Geld geliehen haben, heisst das, dass insbesondere Deutschland ihnen zu viel geliehen hat. Genau das hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel sagen müssen: dass die Eurokrise eine Krise der Interdependenz ist, die der Süden und der Norden zusammen verursacht haben. Sie hätte neue Institutionen fordern sollen, mehr politische Integration und eine gemeinsame Vision für Europa. Stattdessen verbreitete sie ein moralisierendes Märchen über sparsame Deutsche und verschwenderische Griechen. Entsprechend wurde Griechenland eine Sparagenda aufgezwungen, die die Krise noch verschlimmert hat. All dies hat innerhalb der EU zu viel Ressentiments geführt. Von dieser Situation aus ein demokratisches, soziales Europa zu schaffen, ist schwierig. Wir werden sehen, was der französische Präsident Emmanuel Macron ausrichten kann, der in diese Richtung will.
Sie fordern mehr Patriotismus. Doch dieser war in der Eurokrise doch genau das Problem: Merkel rief den Arbeitern in Ostdeutschland zu, dass sie deren Geld gegen die Griechen verteidigen werde …
Es kommt darauf an, wie das patriotische Interesse definiert wird. Merkel hat im Interesse der deutschen Banken gehandelt, die Griechenland Geld geliehen hatten und denen die Hilfskredite an Griechenland wiederum zugute gekommen sind. Falls die Deutschen, Franzosen oder Holländer nach einer demokratischen Auseinandersetzung zum Schluss kommen, dass sie von der EU nicht profitieren, dann ist das in Ordnung. Sie können jedoch genauso gut zum Schluss gelangen, dass eine starke EU in ihrem Interesse ist. Heute steht die EU auf halbem Weg. Sie ist ein Binnenmarkt, dem die demokratischen Institutionen fehlen. Entweder muss die Demokratie den Binnenmarkt einholen, oder der Binnenmarkt muss einen Schritt zurück machen.
Banken und Arbeiter etwa werden kaum je die gleichen Interessen haben. Was soll denn das nationale Interesse sein?
Es ist doch die Aufgabe der Demokratie, dies herauszufinden. Das Problem ist, dass die Eliten, die Banken und die mobilen, gut ausgebildeten Arbeitskräfte nicht mehr mit den anderen Gruppen in der Gesellschaft über die Vor- und Nachteile der Globalisierung debattieren wollen. Sie setzen ihre Interessen in anderen internationalen Foren durch, etwa durch Handelsverträge. Es braucht in den einzelnen Ländern wieder eine richtige demokratische Auseinandersetzung über das nationale Interesse.
Wenn jedes Land sein Interesse maximiert, leiden am Ende die Ärmsten in den schwächsten Ländern.
Für starke Länder ist es immer einfacher, ihre Interessen durchzusetzen. Darum braucht es internationale Handelsregeln, wie etwa das Prinzip der Nichtdiskriminierung, nach dem ein Staat einen Vorteil, den er einem anderen Staat gewährt, auch allen anderen gewähren muss. Das Prinzip war einer der bedeutendsten Beiträge der USA beim Aufbau der Nachkriegsinstitutionen. Natürlich hatten sie ein eigenes Interesse daran: Sie wollten damit das britische Kolonialsystem aufbrechen. Dabei haben sie es aber unterlassen, sich eigene Handelsprivilegien zu verschaffen. Ich bin überzeugt, dass viele Probleme nicht auf globaler Ebene zu lösen sind: Sonst erhalten Leute, die bereits auf nationaler Ebene viel Macht besitzen, auf globaler Ebene zusätzliche Macht.
Sie glauben, dass eine politische Körperschaft den Mächtigen umso mehr Macht verleiht, je grösser sie ist.
Ich sage nicht, dass man immer die Eliten privilegiert, wenn politische Entscheide jenseits des Nationalstaats gefällt werden. Doch in der heutigen EU und im aktuellen internationalen System ist das der Fall. Die Verhandlungen über die Freihandelsverträge etwa sind eine Blackbox.
Sie plädieren für Barrieren, sofern dies dem nationalen Interesse dient. Gilt das nur für Kapital, Güter und Dienstleistungen oder auch für Menschen, wie dies die Rechtsnationalisten fordern?
Die Grenzen für Kapital, Güter und Dienstleistungen sind bereits sehr offen. Es ist diese Mobilität, die zu vielen Problemen geführt hat, die es nun anzugehen gilt. Mit Ausnahme des europäischen Binnenmarkts sind die Barrieren für Arbeitskräfte im Verhältnis dazu weltweit sehr hoch. Die potenziellen Gewinne einer Öffnung sind entsprechend gross. Wären die Länder wirklich an der gemeinsamen wirtschaftlichen Wohlfahrt interessiert, würden sie sämtliche aktuellen Freihandelsverträge vergessen und einen Deal finden, der dafür sorgt, dass sich die Menschen weltweit freier bewegen können. Hier sollten wir die Globalisierung weiter vorantreiben.
Ein liberaler Ökonom
Dani Rodrik (59), Professor für internationale politische Ökonomie an der Harvard-Universität, machte sich international einen Namen, als er 1997 sein Buch «Has Globalization Gone too Far?» («Ist die Globalisierung zu weit gegangen?») publizierte. Darin legte der liberale Ökonom dar, dass die Globalisierung sowohl GewinnerInnen als auch VerliererInnen produziere und damit die Gesellschaften auseinanderreisse. 2011 folgte «Das Globalisierungsparadox» (Verlag C. H. Beck), in dem Rodrik seine These weiter ausführte. Inzwischen ist er einer der am häufigsten gelesenen Ökonomen der Welt.
Der gebürtige Türke ist mit der Tochter des ehemaligen türkischen Generals Cetin Dogan verheiratet, der 2010 beschuldigt wurde, Kopf eines Putschversuchs gegen die Regierung zu sein. Rodrik und seine Frau recherchierten fünf Jahre lang, um Dogans Unschuld zu beweisen. Mit Erfolg. Nachdem er zu zwanzig Jahren Haft verurteilt worden war, wurde er schliesslich doch freigesprochen.