Was weiter geschah: Stolze Arbeiter:innen

Für ein paar Wochen glaubten sie daran, arbeiteten sie furchtlos und in grosser Intensität darauf hin, die Personalvertreter:innen der über 200 Angestellten in der Berner Tobleronefabrik: dass sie den Weltkonzern Mondelez in die Knie zwingen würden. Sechs Prozent mehr Lohn wollten sie als Ausgleich für gestiegene Lebenshaltungskosten und neue Zumutungen in der Schichtarbeit.
Das Angebot von Mondelez: gar nichts obendrauf. Die Arbeiter:innen pfiffen das Management aus, organisierten sich, bündelten ihren Ärger. Zuletzt standen die Zeichen sogar auf Streik – eine Seltenheit in einem Schweizer Industriebetrieb. Und nun? Alles abgeblasen. Nach mehreren Verhandlungsrunden beschloss der US-Multi, dass alle Angestellten generell 1,8 Prozent mehr Lohn erhalten, dazu kommen individuelle Zulagen.
Die Gewerkschaft Unia, die den Widerstand in der Fabrik eng begleitete, teilt mit, sie und die Betriebskommission hätten dem Angebot nicht zugestimmt. Das sei keine Verhandlungslösung, denn das Angebot von Mondelez bedeute letztlich eine Reallohnsenkung. Aber das Ergebnis zeige, dass der Einsatz der Beschäftigten etwas bewegt habe, meint die Unia: «Die Arbeiter sind stolz darauf, das bis jetzt durchgezogen zu haben.» Im nächsten Jahr wolle man mehr herausholen.
Das Ergebnis in Bern passt zu einer generell mauen Lohnrunde. Zwar fehlt eine umfassende Übersicht, aber eine Auswertung durch den Gewerkschaftsbund, die der WOZ vorliegt, zeigt, dass in vielen Betrieben und Branchen noch nicht mal die Teuerung kompensiert wird. Vor allem in Sektoren, in denen die Löhne sowieso schon eher niedrig sind, in der Agrar- und Holzindustrie, im Metall- oder Holzbau etwa, bleiben die Lohnerhöhungen bescheiden. Die grössten Erfolge erzielten Angestellte dort, wo sie den Arbeitskampf nicht scheuten: So gelangen Beschäftigten der Fluggesellschaft Swiss sowie des Flughafenbetreibers Swissport mit über vier Prozent Aufschlag die höchsten Lohnanpassungen.
Nachtrag zum Artikel «Schluss mit Swissness» in WOZ Nr. 17/23.