Brandkatastrophe: Von wegen innere Sicherheit
In Griechenland brennen ganze Landstriche, die Feuerwehr scheint vielerorts machtlos. Das Versagen der zuständigen Behörden hat auch mit den Prioritäten der Regierung zu tun: Gegenüber Polizei und Militär ziehen Wald- und Brandschutz den Kürzeren.
Seit zwei Wochen wüten in Griechenland verheerende Feuer. Besonders betroffen sind der Süden der Halbinsel Peloponnes, die Vororte der Hauptstadt Athen sowie Euböa, die zweitgrösste Insel des Landes. Für Griechenland sind Feuer im Sommer nichts Neues – so schlimm wie in diesem Jahr war es aber noch nie. Seit Ende Juli trocknet eine der aggressivsten Hitzeperioden der Geschichte das Land aus. Dass Feuerkatastrophen unter diesen Umständen programmiert sind, hätte die Erfahrung aus dem Jahr 2018 zeigen können. Damals kamen in der Region Attika rund um Athen 102 Menschen ums Leben. Die Diagnose damals: Missmanagement, fehlende Kommunikation zwischen den Behörden, planloses Handeln. Doch hat das Land daraus gelernt?
Der Norden Euböas liess in den letzten Tagen auf das Gegenteil schliessen. Innerhalb einer Woche sind hier 51 000 Hektaren Wald verbrannt. Menschen mussten mit Booten von den Stränden evakuiert werden, weil die Feuer die Wege unpassierbar gemacht hatten. Inzwischen sind sie gelöscht. Hunderte Menschen stehen vor den Trümmern ihrer Existenz, und sie sind wütend auf ihren Staat: «Wir sind sehr enttäuscht», sagt Dimitris Giannakoulas, Restaurantbesitzer aus dem kleinen Ort Limni. Das Feuer habe den Dorfkern verschont, doch hinter den Häusern, wo vor wenigen Tagen noch Wald gestanden habe, sei nichts als schwarze Asche geblieben. «Das braucht dreissig Jahre, um wieder zu wachsen», sagt Giannakoulas. «Wir leben hier von zwei Monaten Tourismus im Jahr und vom Wald. Was soll jetzt passieren?» Er habe sich nicht evakuieren lassen, sondern mit anderen Dorfbewohnern gegen die Flammen gekämpft. «Dass unsere Häuser noch stehen, liegt nur daran, dass es keinen starken Wind gab.»
Die Hilfe kam zu spät
Überall um den Ort Istiaia herum raucht es. Die Brände haben hier besonders schlimm gewütet. Nun sind sie erloschen, aber für die DorfbewohnerInnen ist dies nicht das Verdienst der lokalen Einsatzkräfte. «Es gab überhaupt keine Organisation. Wir selbst haben die Schläuche der Feuerwehr genommen und gelöscht», erklärt ein junger Mechaniker, der sich als Thodoris vorstellt. Jetzt stehen 144 polnische Feuerwehrleute mit 46 Fahrzeugen auf dem Dorfplatz und können nichts mehr tun. Zu spät hatte die Regierung in Athen den EU-Katastrophenschutzmechanismus aktiviert und Hilfe angefordert. Dabei waren auch vor der Hauptstadt die Brände längst ausser Kontrolle geraten. Es gab zu viele Brandherde und zu wenige Löschflugzeuge und Hubschrauber. Erst im Juni hatte die Regierung angekündigt, 1,76 Milliarden Euro in den Brandschutz zu investieren. Zu spät, sagen ExpertInnen.
Constantinos Liarikos, Entwicklungsbeauftragter bei WWF Griechenland, ist der Meinung, dass die jüngste Katastrophe hätte verhindert werden können. «Das hat alles damit zu tun, dass unter den Bedingungen der Klimakrise nicht genügend Prävention betrieben wird», sagt Liarikos. «Die Regierung – wie alle Regierungen der letzten Jahrzehnte – weigert sich, in die Vorbereitung von Behörden, Freiwilligen, Bürgerinnen und Bürgern zu investieren.» Nach der Katastrophe von 2018 habe ein Komitee eigentlich einen klaren Fahrplan formuliert, der aber ignoriert worden sei. «Es hat sich nichts getan, genauso wie nach der Feuerkatastrophe 2007», sagt Liarikos. «Experteneinschätzungen werden einfach auf den Müll geworfen.»
Marodes System, falscher Fokus
45 Prozent von Griechenlands Landfläche sind bewaldet. Für den Athener Architekten und Stadtplaner Diothenis Choupas ist die chronische Unterbesetzung der zuständigen Behörden daher kaum zu erklären. Die aktuelle Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis habe den Etat des Wald- und Landwirtschaftsdienstes sogar noch gekürzt. «Alle wichtigen Agenturen, inklusive der Feuerwehr mit 4800 Einsatzkräften, sind unterbesetzt», sagt Choupas. Für eine Institution sei hingegen genügend Geld da: «Für die Regierungspartei Nea Dimokratia war die Polizei immer ein Fokus der Finanzierung.» Das Totschlagargument der Liberal-Konservativen sei stets dasselbe: die innere Sicherheit.
Seit ihrer Wahl 2019 hat die Regierung die Polizeikräfte in den Städten sichtlich aufgestockt. «Die Polizei ist jetzt in allen Stadtgebieten präsent, und es gibt keine No-go-Bereiche mehr», erklärte Zivilschutzminister Michalis Chrisochoidis im Dezember im Parlament, um das Polizeibudget zu rechtfertigen. Beliebtes Feindbild der Mitsotakis-Regierung sind linke Gruppen, und sie will Polizeikräfte an den Unis stationieren, was im Frühjahr heftige Proteste auslöste. Auch die Militärausgaben stiegen zuletzt um mehr als die Hälfte. Als Begründung dienen der Regierung der ständig neu auflodernde Konflikt mit dem Nachbarland Türkei und die Flüchtlingssituation. Brand- und Waldschutz hingegen haben in der nationalistischen Rhetorik bislang wenig Platz.
In einer Fernsehansprache sagte Mitsotakis den Geschädigten der Feuer schnelle und unbürokratische Hilfe zu. Ausserdem entschuldigte er sich für etwaige Fehler der Behörden und kündigte an, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Der Schaden geht in die Milliarden, die Regierung wird sich den Fragen der Betroffenen stellen müssen. Sicher ist nur eins: Die Klimaerhitzung wird Griechenland auch in Zukunft Hitzewellen und Feuer bescheren. Viel Zeit haben die Behörden nicht, um sich auf den nächsten Sommer vorzubereiten.