Auf allen Kanälen: Der kleiner werdende Kuchen

Nr. 7 –

Die Zürcher Lokalpresse wird arrondiert. Müssen wir uns demokratiepolitisch Sorgen machen?

stilisierter Ausschnitt aus dem Logo des Tagblatt der Stadt Zürich

Nein, das «Tagblatt der Stadt Zürich» steckt nicht in den roten Zahlen. Mit der Lokalpresse lässt sich sogar – ein wenig – Geld verdienen. «Lokaljournalismus ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance», macht die langjährige «Tagblatt»-Chefredaktorin Lucia Eppmann sich und uns Mut.

Auf der andern Seite hat die Lokalinfo AG auf Ende 2024 vier Zürcher Quartierzeitungen eingestellt. Sie bildeten eine eingeführte Marke, bedienten mit gleichem Layout und auffälligem Titelbalken alle vierzehn Tage die Zürcher Quartiere, und das nicht schlecht. Zu Verkehrs- und Wohnfragen und Freizeit, mit Porträts von Bewohner:innen und lokalen Initiativen. «Nachhaltig kostendeckend waren aber weder die Zeitungen noch die ausgebaute Onlinepräsenz zu gestalten», sagt Beat Rechsteiner, Verwaltungsrat der Lokalinfo AG, die sich im Besitz der SVP-nahen Emil-Frey-Gruppe befindet.

Möglichst ausgewogen

Klar, die finanzielle Situation ist für Gratisblätter schwierig. In den letzten Jahren sind die Kosten für Papier, Druck und Vertrieb stark gestiegen. Knackpunkt bleiben die Einnahmen, also die Inserate. In Zürich haben sich das gesamtstädtische «Tagblatt» und die Quartierblätter um den gleichen, viel kleiner gewordenen Kuchen gestritten. Indem die Lokalinfo AG ihre Zeitungen eingestellt und die vier Titel an die Tagblatt AG verkauft hat, wird fürs «Tagblatt» eine Konkurrenz ausgeschaltet.

Das wirft ein heikles Thema auf: Das «Tagblatt» gehört der Familie Blocher. 2018 übernahm Christoph Blocher von Tamedia die Aktienmehrheit im Abtausch für die «Basler Zeitung», zugleich wurde der Minderheitsaktionär Lokalinfo ausgekauft. Doch bezüglich des «Tagblatts» sind die Befürchtungen bislang nicht eingetroffen. Eppmann versichert, es habe keinerlei Einflussnahme gegeben. Blocher bietet seine regelmässige Kolumne dem «Tagblatt» an, doch anders als die anderen rund dreissig Lokalblätter seiner Zeitungshaus AG, vornehmlich in der Ost- und Zentralschweiz, publiziert sie das «Tagblatt» nicht.

Zudem bleibt das «Tagblatt» als amtliches Publikationsorgan der Stadt Zürich eine Spezialkonstruktion: Es erfüllt gegen eine Konzessionsgebühr für die Stadt bezahlte Leistungsaufträge, mit kleinem Gewinn. Und es muss parteipolitisch als Forumszeitung funktionieren. So werden – möglichst ausgewogen – Kolumnen von Politiker:innen und alle zwei Wochen ein entsprechender «Schlagabtausch» publiziert.

Wichtiges Spielfeld

Es gibt den Vorbehalt gegenüber dem Lokaljournalismus: Berichtet werde über jede Hundsverlochete, langweilige Gemeindeversammlungen und die lokalen Sportvereine. Doch auch solche alltäglichen Fragen sind politisch. Hier werden Meinungen und Haltungen abgebildet und geprägt, verfestigt oder gelockert. Dabei gelten Lokal- und Regionalzeitungen gemäss «Jahrbuch Qualität der Medien» von 2024 als überdurchschnittlich vertrauenswürdig.

Das «Tagblatt» will das Wegfallen der bisherigen Quartierblätter teilweise kompensieren und wurde mit vier Seiten «Quartierblick» ausgebaut. Einige der freien Mitarbeiter:innen der Quartierblätter wurden übernommen. Den lokalen Alltag als Thema ernst zu nehmen, wird auf dem Platz Zürich umso dringlicher, als der «Tages-Anzeiger» seine Lokalberichterstattung im Print durch vorgezogene Abschlusszeiten abbaut und den «Züritipp» eingestellt hat. Die Redaktionen von Regionalzeitungen wie dem Winterthurer «Landboten» und dem «Zürcher Unterländer» wurden in den «Tages-Anzeiger» integriert.

Die Lokalinfo AG betreibt weiterhin sieben Lokalzeitungen in der Region, in Kooperation mit den jeweiligen Gemeindeverwaltungen. Der «Küsnachter» ist gerade in die Schlagzeilen geraten, weil die Chefredaktorin entlassen wurde, auf Druck der Gemeinde, wird gemunkelt. Um die Redaktion neu zu organisieren, meint Beat Rechsteiner. Für diese ebenfalls defizitären Blätter gelte: «Eine Gemeinde muss sich ein solches Medium leisten wollen.»

Für das «Tagblatt» ist Lucia Eppmann da optimistisch. Das werde es weiterhin brauchen, ist sie überzeugt. Und es ist auch keine Verlagerung ins Internet geplant. «Wir sind entschieden ein Printprodukt», bekräftigt sie. Ja, auch lokale Printmedien müssen ein Spielfeld der alltäglichen Demokratie bleiben.