UNRWA-Finanzierung: Nationalrat begräbt humanitäre Tradition

Nr. 37 –

Die Ausgangslage ist klar: Der mit Abstand wichtigste humanitäre Akteur im Gazastreifen ist die UNRWA, das Palästinenser:innenhilfswerk der Vereinten Nationen. Zumindest kurzfristig kann keine andere Organisation dessen «lebenswichtige» Arbeit vor Ort ersetzen, wie etwa die deutsche Regierung schreibt. Und vor gerade einmal zwei Wochen veröffentlichte Mopan, das offizielle Netz, das im Auftrag von Geberländern die Arbeit multilateraler Organisationen begutachtet, einen Bericht zur Arbeit der UNRWA. Ihr Fazit: «Die Fähigkeit der Agentur, Bildungs-, Gesundheits- und Sozialdienste in grossem Umfang für eine der am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen der Welt bereitzustellen, ist unvergleichlich.»

Und was macht das Mopan-Mitglied Schweiz? Sie will dem Hilfswerk künftig jegliche finanzielle Unterstützung streichen. Am Montag hat der Nationalrat eine entsprechende Motion des Ausserrhoder SVP-Nationalrats David Zuberbühler angenommen. Die UNRWA sei von der Hamas unterwandert, argumentierte er. Und er verwies auf die von der israelischen Regierung Ende Januar erhobenen Vorwürfe zu angeblich engen Verbindungen des Hilfswerks mit der Hamas – Vorwürfe, die bis jetzt nicht hinreichend belegt worden sind, wie ein von der Uno in Auftrag gegebener unabhängiger Untersuchungsbericht im April ergab.

Der Entscheid, getragen von der SVP und einer klaren Mehrheit von FDP und Mitte – inklusive Parteipräsident Gerhard Pfister –, legt eine ungeheuerliche Ignoranz gegenüber der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen offen. In seiner Dimension und Signalwirkung an die internationale Gemeinschaft ist der nationalrätliche Entscheid von kaum zu unterschätzender Tragweite: Eines der reichsten Länder der Welt ist nicht bereit, auch nur einen Rappen an eine international anerkannte und von allen relevanten Akteur:innen – mit Ausnahme der proisraelischen US-Regierung – als unverzichtbar beschriebene Organisation zu spenden, um das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung wenigstens rudimentär zu mildern. Sollte der Ständerat dem Nationalrat folgen, ist die humanitäre Tradition der Schweiz begraben. Daran wäre auch Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) mit schuld. Er hat die Haltung des Gesamtbundesrats, die UNRWA auch künftig finanzieren zu wollen, nicht einmal halbherzig verteidigt.