Film: Mit Verlusten ist zu rechnen

Nr. 33 –

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Filmstill aus «Sorry, Baby»: die Studentin Agnes (Eva Victor)
«Sorry, Baby». Regie und Drehbuch: Eva Victor. USA 2025. Jetzt im Kino.

Vieles, wenn auch nicht alles in Eva Victors Spielfilmdebüt «Sorry, Baby» dreht sich um die «schlimme Sache», die der von der Regisseurin selbst gespielten Agnes widerfährt. Sie trägt sich zu am Ende des Literaturstudiums der überdurchschnittlich begabten Studentin, an einer durchschnittlichen Universität im Mittleren Westen der USA, verübt von einem durchschnittlichen Literaturprofessor. Dass die Sache anscheinend so banal und alltäglich ist, dass sie im Leerraum eines Schnitts geschehen kann, ohne dass einem irgendeine relevante Information fehlen würde, macht sie nicht weniger schlimm. Im Gegenteil.

«Sorry, Baby» ist keine Tragödie, vielleicht nicht einmal ein Drama. Für eine schwarze Komödie ist die Sache in ihrer Wiedererkennbarkeit dann aber auch wieder zu wenig lustig. Sie wirkt so normal, dass sie von anderen Figuren direkt einkalkuliert wird – in die Realität, in den Karriereplan, ins Register des Unvermeidlichen. Als eine ehemalige Kommilitonin ihr erzählt, dass die gleiche Sache für sie nicht schlimm, sondern strategisch gewollt war, löst das bei Agnes eine Panikattacke aus. Als Agnes Job und Büro des durchschnittlichen Literaturprofessors angeboten werden, löst das statt Freude und Genugtuung bloss neue Ängste aus. Begründet oder irrational? Dass es niemandem ausser Agnes zusteht, darüber zu urteilen, macht der Film deutlich, wenn er sogar ein Gericht als dieser Frage nicht gewachsen darstellt.

Nicht zuletzt – schliesslich befassen sich hier fast alle Figuren auch akademisch damit – handelt «Sorry, Baby» von der Sprache. Davon, inwieweit sie unfähig ist, etwas zu bewirken. Oder auch nur zu beschreiben. Der Realität, sei sie traumatisch oder nicht, gerecht zu werden. Die «schlimme Sache» bleibt, selbst wenn sie unmittelbar danach ein einziges Mal in Worte gefasst wird, die schlimme Sache. Selbst die Zeit ändert nichts daran; das macht der Film deutlich, indem er trotz nichtlinearer Erzählweise niemals an Fokus, Dringlichkeit oder Entrüstung verliert.

Gilt es, die Sache am Ende mit Humor zu nehmen? Bis auf ein kleines Mäusebaby, das von Agnes unzeremoniell von seinem Leid erlöst wird, geht es ja nicht um Leben und Tod. Mit Verlusten ist stets zu rechnen. Wenn aber Agnes am Ende etwas unentschieden das Neugeborene ihrer besten Freundin in den Armen hält, werden wir plötzlich unsicher, ob die einfachen Entschuldigungen noch ausreichen oder ob doch härtere Massnahmen angebracht wären.