Leser:innenbriefe

Nr. 12 –

Diesen Artikel hören (4:11)
-15
+15
-15
/
+15

Unglaubliche Engherzigkeit

«Migration: Kevin ist wieder da», WOZ Nr. 10/25

Geschichten wie die über Kevin liest man wohl nur in der WOZ, wofür ich sie besonders schätze. Wenigstens in dieser Hinsicht ist «Great America» einstweilen noch ein grosszügiges Land. Dass eine «liberale Demokratie», die sich auf Menschenrechte beruft, keinen Weg findet, um diesen jungen Mann, der die wohl prägendste Zeit seines bisherigen Lebens in der Schweiz verbracht und sie auch nicht freiwillig verlassen hat, wieder hier leben zu lassen, spricht für eine unglaubliche Engherzigkeit. Ich hoffe deshalb, er findet auch noch «die Liebe» in der Heimat seines Herzens. Dann ist die Ehe am Ende auch hier zu etwas nütze!

Hans Fischbacher, Zürich

Reaktionär statt revolutionär

«Mingyeong Lee: Männern den Rücken kehren», WOZ Nr. 10/25

Auf dem Titelblatt der WOZ vom 6. März kam die Ansage: «Nun hilft nur noch eines: Die grosse feministische Revolution». Im Innern wird mensch leider sehr schnell enttäuscht. Die Entscheidung, ein Porträt über die Autorin und Aktivistin Mingyeong Lee abzudrucken und somit, ohne Gegenpol oder Kritik, der transphoben 4B-Bewegung eine Plattform zu bieten, finde ich besonders im Moment, wo die «zu woken» Anliegen (wie zum Beispiel Rechte von trans Menschen) vielerorts wie Ballast abgeworfen werden, höchst beunruhigend. Der Bio-Essenzialismus, den viele Anhänger:innen der 4B-Bewegung propagieren und der den vier Grundsätzen inhärent ist, ist nicht revolutionär, sondern reaktionär und gefährlich.

Der feministische Kampf muss intersektional bleiben! Und die WOZ hoffentlich auch.

Teo Petruzzi, per E-Mail

Alternative Darstellungen

«Neue Karten: Den Atlas in Rente schicken», WOZ Nr. 11/25

Danke für den erhellenden und informativen Beitrag. Dazu eine Korrektur, eine Ergänzung und eine Frage.

Atlas trägt das Himmelsgewölbe am westlichen Ende der damals bekannten Welt, nicht die Weltkugel.

Ergänzend möchte ich anführen, dass es seit längerer Zeit verschiedenste Atlanten und kartografische Darstellungen gibt, die die Welt nicht aus im engeren Sinne geografischer, sondern beispielsweise aus sozioökonomischer Sicht – die Verteilung und Entwicklung von Armut und Reichtum, von Grundbesitz und so weiter –, aus feministischer (Frauenatlas), politischer oder naturwissenschaftlicher und aus vielen anderen Sichtweisen mehr darstellen. Zum Teil halten sich diese Darstellungen an die zurzeit bestehenden Grenzen, was wohl der Tatsache geschuldet ist, dass Zahlen auf Ebene der Nationalstaaten erhoben werden. Zum Teil gibt es jedoch durchaus alternative Darstellungen ohne Ländergrenzen, wo dies der Informationsgehalt der beabsichtigten Aussage zulässt oder ihn sogar erhöht. Henk van Houtum befindet sich also mit seiner Kartografie, die den Blick auf Menschen und ihre Beziehungen statt auf Grenzen ins Zentrum stellt, nicht in einem Vakuum, sondern in einem kartografischen Kontinuum.

Es sei mir daher – in etwas überspitzter Formulierung – die Frage erlaubt, ob die Darstellung «Älterer weisser Mann schafft etwas radikal Neues sozusagen ganz allein aus dem Nichts und schreibt ein Buch darüber» vor diesem Hintergrund passend ist. Ohne den Beitrag van Houtums zu einem erweiterten Verständnis von Migration schmälern zu wollen, scheint mir diese Diskursrichtung doch ähnlich veraltet wie Atlas, der seit über 2000 Jahren das Himmelsgewölbe trägt.

Claudia Zihlmann, per E-Mail