Sachbuch: Jenseits der imperialen Lebensart
Klimaaktivist:innen würden manchmal als gefährliche Radikale dargestellt, meinte Uno-Generalsekretär António Guterres im letzten April, «aber die wirklich gefährlichen Radikalen sind die Länder, die die Produktion fossiler Brennstoffe steigern». Alexander Behr zählt zu denen, die sich mit diesem Missstand nicht abfinden wollen. Seit vielen Jahren ist er Aktivist, unter anderem in der Klimagerechtigkeitsbewegung, im transnationalen Netzwerk Afrique-Europe-Interact und in der Landkooperativenbewegung Longo Maï. Überdies ist er als Journalist und Wissenschaftler tätig. Eine Mischung, die sein Buch «Globale Solidarität» aus der neueren Transformationsliteratur herausstechen lässt.
Wie in dieser üblich, beginnt auch Behr mit einer Analyse verschiedener Aspekte der sozial-ökologischen Krise und des «Universums struktureller Gewalt». Zentraler Begriff dabei ist die «imperiale Lebensweise», womit gemeint ist, dass die meisten Menschen im Globalen Norden sowie eine wachsende Zahl von Menschen in den sogenannten Schwellenländern auf Kosten des grössten Teils der Menschheit sowie des Klimas und der Umwelt leben. Behr diskutiert historische Solidaritätsbegriffe und plädiert nicht für eine internationale, sondern für eine globale oder transnationale Solidarität: Sein Fokus sind weniger Nationalstaaten als vielmehr globale soziale Bewegungen.
Klimapolitische Instrumente wie etwa die Abscheidung von CO₂ oder den Emissionshandel kritisiert Alexander Behr als Scheinalternativen. Stattdessen stellt er Konzepte vor, die ihm zufolge tatsächlich zum «Jahrhundertprojekt der sozial-ökologischen Transformation» beitragen könnten: Degrowth, Post-Extraktivismus und eine harte Ordnungspolitik. Kern des Buches sind die verschiedenen Projekte und Bewegungen, in denen Behr selbst aktiv ist und die er anschaulich und mitunter reportagenhaft vorstellt, als Beispiele für gelebte Solidarität – und damit für die Überwindung der imperialen Lebensweise.

Alexander Behr: «Globale Solidarität. Wie wir die imperiale Lebensweise überwinden und die sozial-ökologische Transformation umsetzen». Oekom Verlag. München 2022. 278 Seiten. 32 Franken.