Leser:innenbriefe

Nr. 23 –

Ja stimmen

«Stromgesetz: Jedes Tal ein Potenzial», WOZ Nr. 21/24

In ihrem Kommentar schreibt die Autorin korrekterweise, dass «neue Wasser-, Wind- und Solarkraftwerke nicht per se gut für die Umwelt sind», sondern nur, wenn ihr Strom Energie aus schädlicheren Quellen ersetzt. Das stimmt. Gleichzeitig ist die Verfügbarkeit von genügend erneuerbarem Strom die Voraussetzung, dass der Atomausstieg und die Dekarbonisierung gelingen können. Produzieren wir in Zukunft nicht genügend erneuerbaren Strom, gibt es neue Argumente, unsere Uralt-AKWs länger laufen zu lassen, zusätzliche fossile Reservekraftwerke zu bauen und die Elektrifizierung im Mobilitäts- und Gebäudebereich auszubremsen.

Das Stromgesetz setzt hier an. Es enthält verbindliche Ausbauziele für die erneuerbare Stromproduktion und effektive Massnahmen, um den Ausbau der Solarenergie auf bestehenden Infrastrukturen voranzutreiben. Das Stromgesetz ist somit die Weiterführung der Energiestrategie 2050 und ein wichtiger Baustein für die erfolgreiche Energiewende.

Angesichts der Umfrageresultate scheint ein Ja zum Stromgesetz am 9. Juni wahrscheinlich. Ein deutliches Ja liefert den progressiven grünen Kräften in der Politik Argumente, mit Klimaschutz und Atomausstieg nun endlich vorwärtszumachen. Liebe WOZ-Leser:innenschaft, stimmt überzeugt Ja zum Stromgesetz.

Eva Jaqueira, per E-Mail

Meisterliche Darstellung

«Im Affekt: Morgen ist auch noch ein Tag? Vaffanculo!», WOZ Nr. 21/24

Schade, hat dem Autor der Film «C’è ancora domani» von Paola Cortellesi nicht gefallen. Insbesondere die Verfremdung der Gewalt als Tanz scheint ihm in den falschen Hals geraten zu sein. «Humor ist, wenn man trotzdem lacht, nicht wahr? Wenn der Mann zuschlägt, zeigt der Film das als romantischen Paartanz», schreibt er.

Ich (Frau) habe ihn anders verstanden und anders empfunden, stark empfunden. Dazu habe ich mir die Szene extra nochmals angeschaut. Sie hat für mich rein gar nichts Romantisches, ist ein Katz-und-Maus-Spiel, von den beiden Schauspielenden meisterlich dargestellt. Hass, Ohnmacht, Angst sind in beiden Gesichtern zu sehen und zeigen die Gewaltspirale und gegenseitige Abhängigkeit, in der sich Frau und Mann befinden.

Der Tanz ist ein stilistisches Mittel, von Paola Cortellesi gewählt, um nicht schon wieder Gewalt als Spektakel zu zeigen. Die Wirkung auf mich war ungleich grösser, als es gespielte Schläge je hätten sein können.

Antonella Martegani, per E-Mail

Geradezu frivol

«Generation Angst? Emotionen in Endlosschlaufe», WOZ Nr. 22/24

Die Autorin hinterfragt, ja kritisiert die Quintessenz von Jonathan Haidts neuestem Buch, «Generation Angst», die (un)sozialen Medien seien schuld, dass psychische Erkrankungen unter Jugendlichen stark zunähmen. Haidts «monokausale Begründung führt in die Irre».

Dieser Meinung kann ich überhaupt nicht beipflichten; im Gegenteil: Ich denke, dass die Autorin auf dem Holzweg ist. Man höre sich doch genauer in der schon seit einiger Zeit und aktuell vorherrschenden schulischen und privaten Welt von Jugendlichen und Kindern weltweit um, und dann wird man zur Erkenntnis gelangen, dass allzu viele dieser jungen Menschen wegen der Dauerabsorption durch (un)soziale Medien im Rahmen einer ungebremsten und unhinterfragten Bullshit-Digitalisierung nicht nur völlig überfordert sind, sondern sich gegenseitig sowohl belästigen als auch in vielfältiger Weise regelrecht fertigmachen, was, unter anderem, sehr wohl zu vermehrten psychischen Erkrankungen führt.

Wenn die Autorin dann noch zusätzlich dazu tendiert, Verfechter:innen von Haidts Auslegungen und Schlussfolgerungen in die politisch rechte Ecke abzudrängen, ist das für mich nicht nur bedenklich, sondern geradezu frivol.

Martin von Siebenthal, Frauenfeld