Literatur: Ein Wirbelsturm zum Geburtstag

Nr. 5 –

Buchcover von «Hüener lachen angers»
Guy Krneta: «Hüener lachen angers». Geschichten und Spoken Word. Zytglogge Verlag. Bern 2024. 168 Seiten.

Guy Krneta holt den Stoff für seine kurzen, kräftigen berndeutschen Geschichten zumeist aus einer Erfahrungswelt, die uns vertraut ist. Ohne Aufwand sind wir sogleich mittendrin in seinen Erzählungen. Wir wissen ja längst, dass Wirbelstürme Frauennamen tragen. Aber die Schilderung, wie einer seiner Valerie den Wirbelsturm Valerie zum Geburtstag schenkt, ist doch verrückt genug, um sich einzuprägen.

Was Krneta mit humorvoller Gelassenheit vorträgt, könnte man am ehesten als Kalendergeschichten von heute bezeichnen. Sie stehen in der Tradition von Johann Peter Hebel und Bertolt Brecht: Das Grosse und Wichtige spiegelt sich im Kleinen und Erfahrbaren. Er erzählt hintergründige Anekdoten und pointierte Witze, macht philosophische Gedankenspiele, zeichnet lebendige Porträts. Viele Texte sind aus dem politischen Engagement des Autors entstanden, etwa der Zyklus «Zitigläse», die Texte über den Kosovo oder die Erzählungen von Faruk, dem Sans-Papiers. Manchmal bezieht Krneta eindeutig Stellung, einige Texte lässt er aber auch in der Mehrdeutigkeit schweben.

In seinen Spoken-Word-Texten setzt Krneta vor allem auf Klang und Rhythmus, arbeitet mit Reihungen, Wiederholungen, Variationen. Spezialfälle solcher Sprachmusiken sind die Gedichte. Krneta nutzt die Verfahren zeitgenössischer Lyrik. Wenn etwa die dänische Lyrikerin Inger Christensen in einem Aufzählgedicht stichwortartig aneinanderreiht, «was es alles gibt», so heisst es bei Krneta «Aus gits»: «Schneekanone, U Schpatzehirni, Fleischwöuf, U Schtadtfüchs …».

Ist das politisch engagierte Literatur? Ja. Aber Politik erscheint hier nicht als Verpflichtung, sondern als selbstverständliche Dimension menschlicher Erfahrung. Ein wacher Zeitgenosse kann die Umweltkatastrophe nicht übersehen. Und hat er auch noch Fantasie, so malt er sich aus, wie das letzte Stück Gletscher in einem Museum mitten in der Wüste aufbewahrt wird.