Sachbuch: Der Materialhunger des Kapitals

Nr. 29 –

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Cover von «Die soziale Ökologie des Kapitals»
Éric Pineault: «Die soziale Ökologie des Kapitals». Aus dem Englischen von Christian Frings. Karl Dietz Verlag. Berlin 2025. 192 Seiten.

Auf weniger als 200 Seiten legt der kanadische Soziologe Éric Pineault eine sehr lesenswerte Analyse des stetig steigenden Verbrauchs von Materialien und Energie vor, der global seit 1945 noch mal rasant an Dynamik zugenommen hat. Die Idee eines irgendwie grün gearteten Kapitalismus, eines materiell entkoppelten kapitalistischen Wirtschaftens, die ohne grossen Ressourcenverbrauch auskämen, wird umfassend kritisiert. Wie aber demgegenüber ein Degrowth-Kommunismus aussehen könnte, arbeitet der Autor nicht aus.

Dreh- und Angelpunkt Pineaults sind die Analyse des «Stoffwechsels» zwischen Mensch und Natur, die Frage, wie die Material- und Energieströme verlaufen und wie diese gesellschaftlich im Kapitalismus organisiert sind. Philosophisches spielt dabei allenfalls zwischen den Zeilen eine Rolle. Es ist insbesondere der fossilindustrielle Stoffwechsel, den Pineault umfassend nachzeichnet – dieser stellt einen geologischen Stoffwechsel dar, der den ökologischen Stoffwechsel abgelöst hat. Zur Verdeutlichung: Das Volumen der aus der Erde geholten Naturstoffe belief sich 2023 auf 104 Gigatonnen – das ist fast das Vierfache der Menge von 1970. So wird greifbar, was das Wort «Wirtschaftswachstum» eigentlich bedeutet. Neben Marx sind hier die Analysen von Paul Sweezy und Paul A. Baran zum Monopolkapitalismus für Pineault massgeblich. Seine Perspektive ist global, die Darstellung wird durch Tabellen und Abbildungen ergänzt.

Das Vorwort des Basler Soziologen Simon Schaupp nimmt vorweg, was die eigene Lektüre bestätigt: Indem Pineault die naturwissenschaftliche Material- und Energieflussanalyse mit einer ausdifferenzierten Kapitalismusanalyse zusammenführt und den Stoffwechsel, in Gigajoules und Megatonnen gemessen, greifbar macht, setzt er «neue Massstäbe für einen Ökomarxismus», der über das blosse Wiederlesen und die Rekonstruktion der Schriften von Marx hinausgeht.