Sachbuch: Marx und das Erbe der Romantik
Ökomarxismus – dieses Stichwort drängt erneut in die gesellschaftlichen Debatten. Kann von einer Renaissance gesprochen werden? Nach Veröffentlichung der Studie des Club of Rome über «Die Grenzen des Wachstums» 1972 hatte es mit Wolfgang Harichs «Kommunismus ohne Wachstum» und Rudolf Bahros «Alternative» bereits ernsthafte Ansätze gegeben, die ökologische Frage aus marxistischer Perspektive zu beleuchten. Diese frühen Versuche gerieten leider in Vergessenheit.
Inzwischen zeichnet sich eine neue Offenheit für fundamentalkritisches Denken ab. Ein Beleg dafür ist die beachtliche Resonanz, die Bücher wie «Systemsturz» von Kohei Saito oder «Stoffwechselpolitik» von Simon Schaupp gefunden haben. In einer ähnlichen Spur bewegt sich das kürzlich erschienene Werk des Literaturwissenschaftlers Heinrich Detering.
Der Autor betrachtet Karl Marx als einen Denker, der entscheidend von der Romantik und deren Verständnis einer Wechselwirkung von Mensch und Natur geprägt war. Diese Verbindung wurde lange übersehen – nicht zuletzt deshalb, weil Marx nach ersten Schritten auf der literarischen Bühne bald einmal eine «Rhetorik der Kälte» pflegte. Detering belegt detailliert, dass sich auch in den späteren ökonomischen und politischen Schriften des Philosophen Gedankengänge finden lassen, die auf ein romantisches Erbe verweisen. Sie führen zu einem Schlüsselbegriff bei Marx: jenem des «Stoffwechsels» zwischen Natur und Mensch.
Dieser Stoffwechsel ist zutiefst gestört. Die für den Kapitalismus charakteristische Trennung von Produzent:innen und Produktionsmitteln bedeutet nicht zuletzt Trennung von der Natur. Detering liest Marx als einen Ökologen der ersten Stunde, dem es um ein «gedeihliches Zusammenwirken von Erde und freien Menschen zum wechselseitigen Nutzen» ging. Marx selbst verstand den Kommunismus als «wahrhafte» Auflösung des Widerstreits zwischen Mensch und Natur wie auch desjenigen zwischen den Menschen selbst. Diese Grundintentionen vermittelt Detering mit grosser Sympathie und Kenntnis des Stoffes.
 
 
