Deutschrap: Die Rapperin und das F-Wort
Feministische Aneignung oder sexistischer Trash? An den Texten und der Inszenierung von Ikkimel scheiden sich die Geister.

Der junge, schmächtige Mann macht bereitwillig mit, als Ikkimel ihm eine flauschige Hundemaske aufsetzt und ihn in einen Käfig sperrt. Dann schwingt sie die Peitsche und beginnt zu rappen. «Böser Junge» heisst der Song, und die Botschaft ist unmissverständlich: «Schnauze halten, Leine an, Schatz, jetzt sind die Weiber dran.» Das Video eines Konzerts in Hamburg ging viral. Als er es postete, schrieb der junge Mann im Käfig dazu: «I love u Mama Ikki, ich werde diesen Abend nie vergessen.» Mama Ikki, so nennen ihre Fans die Berliner Rapperin liebevoll-unterwürfig.
Ihre Tour heisst «Hände hoch – Hose runter», auf der Bühne wird munter getrunken, geknutscht und ausgepeitscht. Ikkimel trägt Animalprint und knappe Kleidung in grellen Farben, auch mal einen Strap-on-Dildo. Tabus scheint es für sie keine zu geben – im Gegensatz zu manchem Zuhörer (es sind vor allem Männer), die Ikkimel mit ihrem Auftreten zu überfordern scheint.
Einer davon ist der deutsche Gangsterrapper Fler, der dachte, mit der Käfigszene habe sich Ikkimel über ihn lustig machen wollen, weil er auf dem T-Shirt des jungen Fans fälschlicherweise seinen Namen las. In einem Post drohte er der Rapperin daraufhin unverhohlen mit Gewalt: «Wenn ich dich auf der Strasse sehe, dann kannst du danach sagen, ich bin ein toxisch maskuliner Mann.» Doch er ist bei weitem nicht der Einzige, der sich von der Rapperin provoziert fühlt. In einem Post teilte Ikkimel einige der Mord- und Vergewaltigungsdrohungen, die ihr geschickt werden, und ermutigte ihre weiblichen Fans: «Lasst euch nicht unterkriegen.»
Feuchtfröhliche Hymnen
Das lassen sich die mehrheitlich jungen Frauen an ihren Konzerten nicht zweimal sagen. Sie tragen Glitzer, Croptops und Hosen der Marke Juicy Couture. «Fotzenpower im Jogger» nennt Ikkimel diesen Style und die damit verbundene Attitüde. Auf ihrer Setlist jagt eine feuchtfröhliche Hymne die nächste. Die Partylaune wird angetrieben von Technobeats aus den 2000er Jahren, im hohen BPM-Bereich und mit treibenden Bässen, irgendwo zwischen Hip-Hop und Hyperpop. Ihre Songtitel sind selbsterklärend: «Keta und Krawall», «Unisexklo», «Drei Fotzen mit nem Bombenarsch». Die Berlinerin macht Musik aus dem Nachtleben fürs Nachtleben, ihre Songs drehen sich fast ausschliesslich um Partys, Drogen und Sex.
Während ihre Fans die dreisten Texte und den sexy Auftritt feiern, wird Ikkimel im Netz auch regelmässig kritisiert: Ihre sexualisierte Selbstinszenierung würde den Male Gaze bedienen und sexistische Rollenbilder reproduzieren. Sogar die Rapperin Loredana warnte vor ihrem schlechten Einfluss. Mit Zeilen wie «Knappe Outfits, rote Lippen, einfach alle woll’n mich ficken» («Bezahlen») oder «Titten sind prall und mein Arsch ist rund» («Keta und Krawall») besingt Ikkimel sich tatsächlich selber als heterosexuellen Männertraum. In dieses Bild passen auch ihre Videos, die an die Popkultur der nuller Jahre und an Pornoästhetik angelehnt sind. Manchmal streut sie eine Zeile ein, in der sie ihre Zustimmung betont («Nur wenn ich will, dann wird’s versaut»), oder sie bricht die Erotik mit Ekel: «Stöhn’n, rotzen, danach muss ich kotzen».
Kontrolle über alles
Ikkimel tritt mit der Selbstverständlichkeit auf, über all das die Kontrolle zu haben. Ihr im Februar erschienenes Debütalbum heisst schlicht und einfach: «Fotze». Schon die britische Feministin Laurie Penny plädierte dafür, dass Frauen den Begriff «cunt» zurückerobern sollen. Bereits 2006 deutete eine deutsche Rapperin einen sexistischen Lieblingsbegriff des Hip-Hop um und setzte ihn gleich in die Mitte ihres Namens: Lady Bitch Ray. Und 2017 rappte das Berliner Duo SXTN: «Die Fotzen sind wieder da» (siehe WOZ Nr. 43/17). Ikkimel ist also nicht die Erste, aber so konsequent und dreist wie sie tat es wohl keine.
Ist das jetzt noch feministisch oder schon sexistischer Trash? Tatsächlich ist diese Frage nie weit, wenn es um Ikkimel geht. In ihrem Song «Jetzt erst recht» macht die Rapperin klar, dass sie selber wenig Lust hat, sich mit der Feminismusfrage herumzuschlagen: «Auf einmal tun die kleinen Pisser so, als wär’s ihn’n wichtig (ihr Fotzen!)». In einem Interview erklärte sie, sie habe keinen Bock darauf, «das Sprachrohr der Nation zu werden».
Das ist völlig verständlich. Denn auch wenn man bei Ikkimel vieles als platte Provokation sehen kann, so sagt die Empörung doch viel darüber aus, wie prüde eine Gesellschaft noch immer sein muss, wenn sie das nicht erträgt. Und wenn immer wieder gefragt wird: «Darf man das?», ist mit «man» wohl eher «Frau» gemeint. Männer, die sexuell explizite Texte schreiben oder Drogen verherrlichen, müssen sich solche Fragen weit seltener gefallen lassen. Wenn sich eine Rapperin dann Machosprache aneignet, um sich in der männerdominierten Szene zu behaupten, wird daraus oft vorschnell ein politischer Akt gemacht.
Bei aller Selbstbestimmung bleibt am Schluss eigentlich nur noch die Frage, wie toll man das denn findet, wenn Männer bei Ikkimels Konzerten im Publikum stehen und sich eingeladen fühlen, lauthals «Fotze» mitzuschreien.
Live am Openair Frauenfeld am Donnerstag, 10. Juli 2025, 20.30 Uhr.