Gripen-Abstimmung: Ueli Maurers milliardenteures Spielzeug

Nr. 13 –

Sagen die Stimmberechtigten am 18. Mai Ja zum Kauf von 22 Gripen E, kommt das die SteuerzahlerInnen teuer zu stehen. WOZ-Recherchen zeigen, dass die tatsächlichen Kosten anstatt bei 3,5 Milliarden eher bei zehn Milliarden Franken liegen dürften.

Die Gripen-BefürworterInnen haben am Dienstag dieser Woche die entscheidende Phase ihres Abstimmungskampfs eingeläutet. Auf dem Militärflugplatz im waadtländischen Payerne inszenierten sie ein Medienspektakel, das Verteidigungsminister Ueli Maurer persönlich orchestrierte.

Zum Auftakt begrüsste «Maestro», ein Kampfjetpilot im «Top Gun»-Gedenkoverall, die rund dreissig anwesenden JournalistInnen. Er skizzierte seine bevorstehende luftpolizeiliche Übung mit dem F/A-18 Hornet: Er werde ein Flugzeug, das ohne Funkkontakt übers Tessin in den Schweizer Luftraum eingedrungen sei, identifizieren und kontrollieren.

Nach dem Briefing ging es für die Medienschar im Mannschaftstransporter Duro zu den Hangars, wo unüberhörbar vier F/A-18-Jets startklar gemacht wurden. Dann setzte Ueli Maurer, auf einem Grashügel stehend, sichtlich zufrieden seinen Pamir, den Gehörschutz, auf, und schon donnerten die US-amerikanischen Kampfjets, die seit 1996 im Einsatz der Schweizer Luftwaffe stehen, über die Abflugpiste.

Keine Frage, worum es dem VBS-Chef, der in seiner Aktivzeit ein Radfahrer war, ging: um Bilder einer potenten Luftwaffe. Denn bisher entpuppten sich Maurer und seine MitstreiterInnen im Hinblick auf die Abstimmung am 18. Mai über den Kauf von 22 schwedischen JAS-39 Gripen E eher als Tiefflieger.

Vorletztes Wochenende publizierte der «SonntagsBlick» die neuste Umfrage: 62 Prozent der Befragten lehnen den Gripen-Kauf ab. Das deutliche Ergebnis ist wohl auch eine Folge von «Gripenleaks». Mitte Februar veröffentlichte ein schwedischer Radiosender auf seiner Website drei vertrauliche Briefe des schwedischen Botschafters in der Schweiz. Aus ihnen geht hervor, dass zwischen den beiden involvierten Verteidigungsministerien sowie der schwedischen Rüstungsfirma Saab eine ziemlich intensive Zusammenarbeit bestand und gezielt PR-Anlässe aufgegleist wurden. Bereits zuvor sah sich Maurer gezwungen, Saab zurückzupfeifen, weil die Firma dem Pro-Komitee 200 000  Franken zugesteckt hatte (das Nein-Lager bringt gemäss «SonntagsZeitung» übrigens 250 000  Franken zusammen). Angesichts all der unschönen Details hat die CVP im Februar die politische Führung der Ja-Kampagne entnervt an die SVP abgegeben.

Schweigen zu den Kosten

In Payerne waren Schweden, Saab und die CVP weit weg. Und noch ein Thema blieb gänzlich unerwähnt: die Kosten. Bisher ist in der Öffentlichkeit stets von 3,13 Milliarden Franken die Rede. Diese Summe umfasst aber bloss die Beschaffungskosten. Doch die Kampfjets müssen nach ihrem Kauf nachgerüstet und instand gehalten werden. Auch das Personal, der Treibstoff oder Immobilieninvestitionen haben ihren Preis. Auf die Nachfrage der WOZ zu den tatsächlichen Kosten des geplanten dreissigjährigen Einsatzes der 22 Gripen E antwortete Maurer in Payerne: «Aufgrund von Erfahrungen gehen wir von ungefähr dem Doppelten des Kaufpreises aus», in Zahlen ausgedrückt also von 6,3 Milliarden Franken.

Demgegenüber stehen die Aussagen der beiden Nationalrätinnen Evi Allemann (SP) und Adèle Thorens (Grüne). Allemann, die in der sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats (Sik-N) sitzt, nennt in einem NZZ-Artikel vom letzten Montag die Summe von «mehr als zehn Milliarden Franken». Thorens hat an einer Pressekonferenz zum Gripen-Referendum im Oktober von «mehr als neun Milliarden Franken» gesprochen und bezog sich dabei auf «Spezialisten der Ruag».

Wo liegt die Wahrheit? Es gibt ein Dokument, in dem die Kostenpunkte der 22 Gripen E für die geplanten dreissig Einsatzjahre detailliert aufgelistet sind: im Bericht der «Subkommission Neues Kampfflugzeug» der Sik-N vom 20. August 2012. Doch die Zahlen in diesem Bericht sind geschwärzt.

Bleibt die Erfahrung mit den bisherigen Kampfjets, auf die sich Maurer beruft. Hier bietet sich der Vergleich mit dem aktuellen Kampfjet der Schweizer Luftwaffe an. Die WOZ hat beim VBS nachgefragt, wie hoch die tatsächlichen Kosten für die 32 F/A-18-Kampfjets sind. Der Pressedienst antwortete: «Der Kaufpreis für die Kampfjets belief sich auf 3,5 Milliarden Franken. Die jährlichen Kosten für die Instandhaltung, Personal, Treibstoff, Immobilien usw. belaufen sich auf rund 154 Millionen Franken.» Was in der Antwort fehlt, sind die Angaben zu den Nachrüstungen (Elektronik, Waffen, Simulator, Werterhalt). Diese sind in den Rüstungsprogrammen zu finden. Allein zwischen 2001 und 2011 sind die F/A-18-Jets für rund 1,3 Milliarden nachgerüstet worden, was etwas über hundert Millionen Franken pro Jahr entspricht. Gesamthaft liegen die jährlichen Kosten also bei ungefähr 250 Millionen Franken. Rechnet man diese auf dreissig Jahre hoch, ergibt das die Summe von 7,5 Milliarden Franken. Das ist keine Verdopplung des Kaufpreises, sondern mehr als eine Verdreifachung.

Vor diesem Hintergrund erscheinen tatsächliche Kosten von etwa zehn Milliarden für die 22 Gripen E plausibel. Am 18. Mai geht es also nicht «bloss» um 3,13 Milliarden, sondern viel eher um zehn Milliarden Franken. Das sind Steuergelder, die bei einem Ja zum Gripen-Kauf definitiv weg sind und anderswo fehlen werden: im Bildungs- und Gesundheitswesen oder im öffentlichen Verkehr.

Widerspruch aus dem eigenen Lager

Zurück nach Payerne, wo auf die Flugshow Referate von Maurer und zwei Luftwaffenvertretern folgten. Diese legten anschaulich die Argumente offen, die den kommenden Wahlkampf der Ja-Kampagne prägen werden. «Drago», ein erfahrener Kampfjetpilot, durfte den Gripen E als «das Flugzeug, das wir brauchen», präsentieren. Dabei hat ausgerechnet die Luftwaffe vor zwei Jahren noch scharfe Kritik an der Gripen-Entscheidung des Bundesrats geübt: In einem vertraulichen Evaluationsbericht der Luftwaffe, den die «SonntagsZeitung» publik machte, war zu lesen, dass der Gripen E «in allen Missionen nie die minimalen erwarteten Anforderungen erreicht». In Payerne ist aus demselben Kampfjet plötzlich das «Flugzeug der Zukunft» geworden.

Anschliessend erklärte VBS-Chef Maurer die Gripen-Abstimmung zur Schicksalsfrage. Ohne die 22 schwedischen Kampfjets habe die Armee ab 2030 «kein Dach mehr», es brauche den Gripen «für eine glaubwürdige Armee». Und auf die Nachfrage der WOZ, ob die Zukunft der Armee nur mit dem Gripen gewährleistet sei, sagte Maurer: «Langfristig klar ja.» Schliesslich wiederholte Maurer seine Drohung, die er Anfang Woche in der «Nordwestschweiz» gemacht hatte: Ohne Gripen sei eine Luftwaffe, die an 365 Tagen 24 Stunden einsatzfähig ist, nicht möglich.

Dieser Darstellung widerspricht ausgerechnet jener Mann, der in den Gripenleaks-Dokumenten als «our old friend» bezeichnet wird: der ehemalige Kampfjetpilot und heutige SVP-Nationalrat Thomas Hurter. Gegenüber der WOZ kommentierte er: «Die angestrebte 24-Stunden-Einsatzbereitschaft kann mit den vorhandenen 32 F/A-18-Jets gewährleistet werden. Entscheidend sind nämlich nicht nur die Maschinen, sondern auch das verfügbare Personal, das dafür momentan nicht reicht.» Hurter betrachtet die Abstimmung vom 18. Mai weniger als Schicksalsfrage zur Armee, sondern es gehe um die Teilerneuerung der Luftwaffe.

Der Preis dafür liegt bei zehn Milliarden Franken.

Mitarbeit: Roman Schürmann. Von WOZ-Redaktor Schürmann ist das Buch «Helvetische Jäger. Dramen und Skandale am Militärhimmel» über 
die Kampfflugzeugbeschaffungen der Flugwaffe erschienen (Rotpunktverlag, 2009). Das Buch im WOZ-Shop kaufen.

Angstmache mit der Krim

Am 18. Mai kommt in der Schweiz erst zum zweiten Mal ein Rüstungsgeschäft zur Abstimmung. Vor 22 Jahren ging es bei der «Stop F/A-18»-Initiative ebenfalls um Kampfjets. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) hatte im Frühjahr 1992 in nur 34 Tagen über eine halbe Million Unterschriften für ihre Initiative gesammelt. Es folgte ein intensiver Abstimmungskampf, den der damalige Verteidigungsminister Kaspar Villiger (FDP) schliesslich gewinnen konnte: 57 Prozent stimmten im Juni 1993 für den Kampfjet.

Bei jeder Gelegenheit wies Villiger im Vorfeld der Abstimmung auf den Krieg in Exjugoslawien hin – genauso wie Ueli Maurer momentan immer und gerne auf die Krimkrise verweist. Verfängt dieses Mal die Angstmacherei des VBS-Chefs nicht, werden die Stimmberechtigten erstmals einen vom Parlament beschlossenen Waffenkauf kippen.