LeserInnenbriefe

Nr. 38 –

Falsch verstandener Freiheitsbegriff

Islam: «Unsere Leitkultur ist der Rechtsstaat», WOZ Nr. 37/2017

Als pensionierter Hochschullehrer für Recht und Kommunikation sowie Exmediator an der Autonomen Schule Zürich (ASZ) meine ich, die Diskussion um einen Exschüler der ASZ – auch nach Rücksprache mit deren Sekretariatsleiter – fundiert zu kennen. Ein seriöser Journalismus klärt deshalb zuerst die Sachlage fundiert ab. Ich kann somit die Position von Regierungsrätin Jacqueline Fehr nur unterstützen. An der ASZ wird konsequent religionsneutral und sachbezogen unterrichtet. Wenn zwei dogmatische Muslime sich geweigert hätten, mit einem Atheisten gemeinsam unterrichtet zu werden, so hätten diese und nicht der marokkanische Migrant die Klasse verlassen müssen! Es gibt aber leider sowohl ideologische «Freunde» wie «Feinde» von Muslimen beziehungsweise des Islam. Aufgeklärte Menschen lehnen jeglichen Rassismus und alle bornierten Religionsfanatiker ab. So bin auch ich ein Gegner eines Burkaverbots in der Bundesverfassung, würde aber nie Studierende in einer Totalverschleierung akzeptieren. Das «Gesicht zeigen» gehört zu einer offenen Kommunikation. Wer sich heute im öffentlichen Raum auf diese Verhüllungs- beziehungsweise Pseudoreligionsfreiheit beruft, will sich weder integrieren noch die Rechtsgleichheit von Mann und Frau akzeptieren. Eine solche Haltung ist in unserer Gesellschaft nicht zu tolerieren und das hat nichts mit Rassismus oder Grundrechtsverletzungen zu tun!

Werner Kallenberger, per E-Mail

Soziale Stigmatisierung unvermeidlich

Medizin und Gesellschaft: «Schizophrenie ist ein magisches Wort mit unheilvoller Wirkung», WOZ Nr. 37/2017

Die Kritik an der Psychiatrie als gesellschaftlichem Machtinstrument teile ich mit Marc Rufer. Im Interview wurde für mich jedoch der Wahrheitsanspruch, den er für seine Ausführungen implizit in Anspruch nimmt, unangenehm deutlich. Insbesondere möchte ich seine Aussagen zum Nutzen der medikamentösen Behandlung hinterfragen: Diese kann sehr wohl zu einer subjektiven Besserung führen. Da hätte sich Herr Rufer vielleicht besser mit Betroffenen unterhalten. Was ich aus eigener Erfahrung sagen kann: Es ist fast unmöglich, aus der Rolle der Patientin wieder herauszukommen. Wie es mir beim Eintritt ins psychiatrische System (in dem ich lange Jahre verbracht habe) im Laufe der Zeit passiert ist, so auch mit dem Herauswachsen aus dieser Rolle: Ich habe noch einmal soziale Stigmatisierung erfahren, in nahen persönlichen Beziehungen. Und die hat mich nachhaltig getroffen.

R.F. (Name der Redaktion bekannt)

Wie Leiden lindern?

Zum Interview mit Herrn Marc Rufer über die Psychiatrie habe ich einige Ergänzungen: Seit vielen Jahren arbeite ich als Pflegefachmann in der stationären Psychiatrie. Unser Beruf ist in vielen Belangen anspruchsvoll, täglich sind wir mit ethischen Fragestellungen konfrontiert. Wir sind immer froh und offen für externe kritische Betrachtungen unserer Arbeit. Sie sind sogar unabdingbar.

Die von Herrn Marc Rufer analysierte «Zwangs- und Gewaltpsychiatrie» ist jedoch zu einseitig dargestellt. Er schwebt ein wenig auf einer Wolke, scheint die Realität, in die Menschen psychisch leidend geraten können, zu wenig zu kennen. Seine Lösungen von «einfühlsamer, nicht professioneller Umgebung» in «kleinen Gruppen» oder «dezentral in kleinen Familien oder Wohngemeinschaften» für Menschen in einer psychischen Not sind oft weltfremde Wunschvorstellungen, die vielen Menschen in akuten Krisen nicht helfen. Davon bin ich aufgrund meiner Berufserfahrung überzeugt.

Abgesehen davon müsste man solche dezentralen kleinen Familien und Wohngemeinschaften, in denen Nichtprofessionelle mit solchen Menschen zusammenleben wollen, auch noch finden. Es bräuchte viele davon … Meine Erfahrung ist eindeutig: Es braucht für gewisse Lebenskrisen, in die Menschen geraten können, stationäre Einrichtungen mit ärztlicher und pflegerischer Hilfe, und dabei sind oft Psychopharmaka hilfreich. Das bestätigen viele ehemalige Patienten. Übrigens: Während des ganzen Interviews habe ich von Herrn Rufer nie das Wort «Leiden» gelesen, in das psychisch kranke Menschen vorübergehend geraten können. Auch spricht er immer nur vom «Psychiater» als Entscheidungsträger in der Psychiatrie. Herr Rufer, in der Psychiatrie arbeiten viele andere engagierte Berufsgruppen, allen voran als grösste Gruppe, die Pflegefachpersonen.

Peter Eggenschwiler, Ruswil