Im Affekt: Mehr als nur ein Feigenblatt

Nr. 7 –

So weiss! So männlich! So absehbar. Gross war der Unmut, als die Auswahl für die diesjährigen Oscars verkündet wurde. Wieder keine einzige Regisseurin nominiert, wieder fast nur weisse Filmemacher und nur eine einzige schwarze Schauspielerin. Dazu kommt, dass die Mehrzahl der Filme, die in den Hauptkategorien zur Wahl standen, auch inhaltlich vor allem Nostalgie und weisse Männlichkeit kultiviert: im Krieg, in Hollywood, in der Mafia, in der Depression. People of Color? Fast nur als Nebenfiguren. Gute Frauenrollen kann man an einer Hand abzählen. Die einstige Oscargewinnerin Anna Paquin darf im dreieinhalbstündigen Epos «The Irishman» von Altmeister Martin Scorsese gerade mal eineinhalb Sätze sagen. Auf einmal trug das liberale Hollywood Trump.

Während man aber früher die Problemzonen mit Feigenblättern kaschierte – da ein Oscar für einen Schwarzen, dort der Auftritt eines coolen Comedians und einmal gar ein Preis für eine Regisseurin! –, wagte man nun einen wuchtigen Befreiungsschlag. Der südkoreanische Aussenseiterfilm «Parasite» gewann gleich alle Hauptpreise: bester Film, beste Regie für Bong Joon-ho, bestes Originaldrehbuch, bester internationaler Spielfilm – und liess alle Bleichgesichter hinter sich. Urplötzlich brachte «Parasite» die Welt und überraschende Frauenfiguren in die männliche Nabelschau der Oscars. Auch der Plot birgt Sprengstoff: In immer düsterere Kellerverliese dringt diese Ensemblekomödie vor – reale und metaphorische. Die Aufstiegshoffnung der Kellerzelle entpuppt sich dabei als der ultimative Killer, der Klassenkampf verendet im Blutbad.

Den Abgeklärten, die sagen, es gehe bei den Oscars eh nie wirklich um die besten Filme des Jahres, entgegnen wir: Immerhin stimmte dieses Jahr die Symbolik. Wie sich dieser «Parasite» bei der alten Academy einnistete und sie ein wenig zum Funkeln brachte, war schon grosses Kino.

Gut möglich, dass das alles noch böse enden wird. «Parasite» wird nun als US-Serie neu verfilmt.