Simbabwe: Mit leerem Bauch

Nr. 11 –

Der Sieger der Parlamentswahl Ende März steht schon fest. Die Regierungspartei, die einen «Anti-Blair-Wahlkampf» führt, hat das Land fest im Griff - nicht zuletzt weil Südafrika wegschaut.

Es sieht nicht gut aus für die Opposition, das weiss auch Morgan Tsvangirai. «Wir ziehen den Kürzeren, egal, wie wir uns entscheiden», sagte im Januar der Vorsitzende der simbabwischen Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) auf die Frage, ob er die Parlamentswahl boykottieren werde oder nicht. Mittlerweile hat sich das Thema erledigt: Präsident Robert Mugabe hat den 31. März als Wahltag bestimmt, und die MDC wird sich an der Wahl beteiligen - «schweren Herzens», wie es MDC-Sprecher Paul Nyathi formulierte: Die Partei erwartet Gewalttätigkeit, Betrug und eine Niederlage. Weder die Parlamentswahl von 2000 noch die Präsidentschaftswahl 2002 waren «frei und fair» verlaufen, wie internationale WahlbeobachterInnen feststellten. Bei der letzten Parlamentswahl konnte die MDC noch 57 der 120 zur Wahl stehenden Sitze gewinnen (weitere 30 werden vom Präsidenten bestimmt). Dieses Mal wird die Opposition nicht so gut abschneiden.

Denn sie steht mehr unter Druck als je zuvor. Seit seiner Niederlage bei einer Volksabstimmung im Jahr 2000 (damals ging es um eine Verfassungsreform, die die Rolle des Präsidenten weiter stärken, die Grundrechte aber einschränken sollte) hat der 81-jährige Präsident Mugabe eine Terrorwelle entfacht. Er mobilisierte die so genannten Veteranen des Unabhängigkeitskrieges gegen die 4500 weissen Grossfarmer und deren LandarbeiterInnen, erstickte jede Kritik und führte einen Grossteil der Bevölkerung an den Rand der Verzweiflung. Knapp ein Drittel der zwölf Millionen EinwohnerInnen flüchtete in Nachbarländer oder nach Britannien; das Bruttosozialprodukt ist (bezogen auf die Einwohnerzahl) seit 2000 um etwa vierzig Prozent gefallen; die Lebenserwartung sank von 55 auf 35 Jahre; die Inflation steht bei 300, die Arbeitslosigkeit bei 70 Prozent; das Bankwesen ist zusammengebrochen; die einst gut ausgebauten Schul- und Gesundheitssysteme sind bankrott; Aids verbreitet sich mit erschreckender Geschwindigkeit; die Medien wurden mundtot gemacht.

Gott hat gelächelt

All dem begegnet die Regierung mit einer Propaganda, die - wäre die Lage nicht so dramatisch - fast schon komisch ist. Während der «notwendigen Landreform 1999-2002» habe es «auch Tote, Verletzte und Zerstörungen gegeben», gibt die Regierung in Harare zu, aber einige dieser «bedauerlichen» Vorfälle seien von der Gegenseite inszeniert worden. So hätten etliche weisse Grundbesitzer ihre Beschäftigten als Kriegsveteranen verkleidet und den eigenen Besitz zerstören lassen, um Mugabe zu diskreditieren: «Es ist doch kein Zufall, dass manchmal die britische BBC zugegen war und die Aktionen filmen konnte.» Die ehemalige Kolonialmacht Britannien «will uns erneut versklaven», lautet der Hauptslogan der Mugabe-Partei Zanu-PF. Angesichts dieser Argumentation, schrieb vor kurzem der Journalist John Scott in der südafrikanischen Zeitung «Cape Times», würde es ihn nicht überraschen, wenn die Regierung demnächst erklärte, dass sich die «unabhängigen Medien selbst verboten haben und die Polizei, die Oppositionspolitiker verhaftet, im Sold von Tsvangirai steht».

Die Scheinwelt, die die Regierung aufbaut, hat grimmige Folgen. So hat Mugabes Regierung im vergangenen Mai erklärt, dass das Land dank der «Landreform» eine Rekordernte von 2,4 Millionen Tonnen Getreide erwarte, weit mehr als die benötigten 1,8 Millionen. Gleichzeitig verbot sie Uno-Organisationen und anderen Hilfswerken die Einfuhr von Lebensmitteln - anderswo würde ihre Hilfe dringender gebraucht. Kurz danach musste aber das Land, das in der Vergangenheit als Kornkammer des südlichen Afrika galt, Mais aus Südafrika und Sambia importieren. Noch im Januar hat Landwirtschaftsminister Joseph Made empört eine Hungerwarnung des Famine Early Warning System Networks zurückgewiesen, derzufolge noch vor der Haupternte im April sechs Millionen SimbabwerInnen dringend Hilfe brauchen. Diese Information sei «eine westliche Verschwörung, um uns zu destabilisieren, weil wir einen Anti-Blair-Wahlkampf führen», sagte er und fügte vor ein paar Tagen hinzu: «Gott hat uns angelächelt, es regnet, die Ernte gedeiht vorzüglich.»

Doch allzu freundlich scheint es Gott nicht zu meinen. Hilfswerke berichten von grosser Knappheit und unerschwinglichen Preisen. Der Mindestlohn in Höhe von rund 500 000 simbabwischen Dollar pro Jahr (umgerechnet etwa 100 Franken) decke nicht einmal ein Drittel der Grundbedürfnisse, hat der simbabwische Konsumentenrat im November errechnet. Chris Mivor, der für Save The Children im verarmten nördlichen Sambesital arbeitet, spricht von chronischer Unterernährung, die das Wachstum von Kindern schädige.

Tote Wähler

Auch im Nordosten des Landes wird gehungert. Dort lebt beispielsweise die Kleinbäuerin Rwizi. In früheren Notjahren hatte sie auf den benachbarten Farmen von weissen Grundbesitzern arbeiten können, dort wuchs der Mais dank der Bewässerungsanlagen auch in Dürrezeiten. Aber seit das Land an landlose Kriegsveteranen verteilt oder an die Elite des Landes verschenkt wurde - ohne vorherige Ausbildung und ohne Hilfe etwa in Form von Saatgut und Dünger -, wächst nur noch wenig. Rwizis Schwester und deren Ehemann starben an Aids, nun versucht sie, ihre eigenen acht Kinder sowie die sieben Kinder der Schwester durchzubringen. «Wenn wir nichts zu essen haben, schicke ich die Kinder in die Berge, um wilde Früchte zu suchen», sagt sie. Die Jüngsten kann sie nicht mehr zur Schule schicken: «Die schaffen mit leerem Magen die fünf Kilometer dorthin nicht.»

Die prekäre Nahrungssituation erlaubt es der Regierung, Getreide als Waffe einzusetzen. Diese Übung kennt man von Lokalwahlen: Zanu-PF-AktivistInnen holen Mais aus den Regierungssilos und verteilen ihn nur an Menschen, die Zanu unterstützen.

Im vergangenen August verabschiedeten die vierzehn Staaten der Southern African Development Community (SADC) eine Reihe von Regeln, die sicherstellen sollen, dass Wahlen in der Region «frei und fair» verlaufen. Auch Simbabwe hat das Protokoll unterschrieben. Doch die SADC-Delegation, die die Einhaltung der Regeln überprüfen soll, bekam keine Einreiseerlaubnis. Zwar hat die Regierung eine «unabhängige» Wahlkommission eingerichtet, doch so unabhängig ist diese nach Meinung der Opposition nicht; der Vorsitzende wurde von Mugabe ernannt.

Mittlerweile hat die Partei die 50 000 Mitglieder starke und weit herum gefürchtete Zanu-PF-Jugendliga im ganzen Land positioniert. Auch die Armee ist aufgezogen; sie soll den Wahlvorgang beobachten. Die Wahllisten weisen enorme Fehler auf, wie mehrere nichtstaatliche Organisationen (NGO) erklärten. Lovermore Mduku, Vorsitzender der National Constitutional Assembly, spricht von einem «heillosen Durcheinander» auf den Listen. FreeZim, eine im Jahr 2002 gegründete NGO, erklärte im vorigen Monat, dass über zwei Millionen Namen auf der rund 6,5 Millionen langen Wahlliste «suspekt» seien. Etwa 800 000 Tote seien registriert, rund die Hälfte der angegebenen Adressen «stimmt nicht». SimbabwerInnen im Exil sind von der Wahl ausgeschlossen.

Südafrikanische Spione

Es lässt sich auch angenehm leben in Simbabwe. In Harares feudalem Vorort Borrowdale residiert beispielsweise Mugabes wichtigster Berater, der Zentralbankchef Gideon Gono, in einer 112-Zimmer-Villa mit Helikopterlandeplatz, Kunstgalerie, Billardraum, Bibliothek und einem riesigen Swimmingpool. Gono ist ein Mann fürs Grobe. Im vergangenen Jahr führte er eine Antikorruptionskampagne, in deren Verlauf mehrere Zanu-PF-Obere verhaftet wurden, darunter der ehemalige Finanzminister Christopher Kruneri. Sie sollen illegal Devisen aus dem Land geschleust haben.

Niemand ist mehr sicher. Letzten Monat wurden fünf führende Zanu-PF-Mitglieder wegen angeblicher Spionage verhaftet, darunter ein reicher Geschäftsmann sowie ein designierter Botschafter. Ein Berufsdiplomat im Genfer Konsulat entkam der Verhaftung, weil er auf dem Genfer Flughafen gerade noch rechtzeitig auf den Rückflug nach Harare verzichtete. Die Verhafteten hätten für Britannien, die USA und Israel spioniert, behauptete die Regierung. Ein richtiger Spion ist mittlerweile enttarnt - aber der war nicht von Mugabes Lieblingsfeinden geschickt, sondern kam aus Südafrika. Der Agent hatte sich regelmässig mit Zanu-PF-Jugendlichen getroffen und diese ausgehorcht. Ein besonderes Interesse an Informationen aus der Partei hat Südafrikas Präsident Thabo Mbeki. Er braucht für seine Politik der «stillen Diplomatie» Interna (vgl. nebenstehenden Text); möglicherweise lässt er auch ausloten, wie gross die Chancen einer parteiinternen Alternative zu Mugabe sind.

Mbeki, der in Simbabwe über Einfluss verfügt, wird seinen Mann bald loseisen können. Weniger lustig aber dürfte die Lage jener Flüchtlinge werden, die Britannien demnächst nach Simbabwe zurückschicken will: Diese seien, so heisst es in Harare, wahrscheinlich in Sabotage ausgebildet.

Gewerkschaftspiketts gegen Mbekis Freund

Thabo Mbeki ist sich sicher: Die Wahlen im Nachbarland Simbabwe werden «fair und frei» ablaufen, sagte der südafrikanische Präsident, den eine Freundschaft mit Robert Mugabe verbindet. Die beiden Alliierten der Regierungspartei ANC - der Gewerkschaftsbund Cosatu und die südafrikanischen KommunistInnen - sind da anderer Ansicht. So hatte im Februar eine Cosatu-Delegation Simbabwe besuchen wollen, um sich selbst ein Bild von der politischen Lage zu machen. Nach wenigen Stunden aber wurden die Delegierten per Bus zurück an die Grenze verfrachtet.

Kurz darauf machte sich Cosatu-Chef Zwelinzima Vavi selber auf den Weg. Er wolle sich nur mit der Schwesterorganisation, dem Zimbabwe Congress of Trade Union (ZCTU), treffen, schrieb er an Harares Arbeitsminister Paul Mangwana. Doch das Kompromissangebot nutzte wenig: Vavi und die anderen Delegierten wurden an der Grenze abgewiesen. Daraufhin lud Cosatu eine ZCTU-Delegation zu einem Treffen in Südafrika ein. Die Angst der simbabwischen Regierung vor einer Zusammenarbeit der Gewerkschaften rührt wohl auch daher, dass der Oppositionsführer Morgan Tsvangirai jahrelang Generalsekretär des ZTCU war und vor allem bei den städtischen ArbeiterInnen und den Arbeitslosen grosses Ansehen geniesst.

Letzten Freitag hat Cosatu nun den Druck erhöht und in Beitbridge, dem wichtigsten Grenzübergang beider Länder, Piketts organisiert, die gegen die politische Unterdrückung in Simbabwe protestieren. Und die südafrikanische Sektion von Amnesty International veranstaltete am Wochenende an der Grenze ein Konzert, um auf die Menschenrechtsverletzungen im Nachbarland hinzuweisen.

Diese Demonstrationen haben Mbeki in eine etwas unangenehme Lage versetzt. Dessen vorsichtig-freundliche Haltung gegenüber Mugabe lässt sich nicht mit alter politischer Freundschaft erklären - während des Unabhängigkeitskrieges hatte der ANC nicht Mugabes Zanu, sondern deren Konkurrenzorganisation Zapu unterstützt. Mbeki befürchtet vielmehr einen Bürgerkrieg, sollte Zanu die Wahl verlieren, denn freiwillig wird die Partei - so die Einschätzung der südafrikanischen Regierung - die Macht nicht abgeben. Ein Bürgerkrieg aber ist nicht in Pretorias Interesse, denn Südafrika hat schon heute mit den vielen hunderttausend Flüchtlingen aus Simbabwe zu kämpfen, die illegal eingereist sind. Tauende werden zwar regelmässig aus dem Land abgeschoben, kehren aber genauso regelmässig wieder zurück. Blutige Auseinandersetzungen würden die Zahl der Flüchtlinge deutlich erhöhen.