«Punk’s not dead»: Böser-Buben-Punk!

Nr. 14 –

Punkrock des Independentlabels People Like You gibts in einem ehemaligen Knast in Luzern.

Die Osterhasen haben das Feld längst schon wieder geräumt und ihre Hinterlassenschaften, die Eier und Hasen aus Schokolade, liegen noch schwer im Magen; da kommt die richtige Kur zur Verdauung gerade recht.

«Punk’s not dead» oder «Rock ’n’ Roll is dead» und ähnliche Floskeln waren in den letzten Jahrzehnten immer wieder in den Medien zu lesen. Glücklicherweise trifft das nicht ganz zu. Die Punks von damals werden zwar immer älter, und einer dieser überzeugten Aktivisten, Sonny Moped, erreicht am 8. April das vierte Jahrzehnt seiner Pogo-Fahrt durch die Welt. Und was liegt da näher, als es so richtig schön krachen zu lassen, wie er es als unabhängiger Veranstalter schon seit mehr als zwanzig Jahren in Luzern tut. Während an diesem Abend in den Clubs, Bars und Kneipen der Stadt honkytonkmässig geschunkelt wird, weht die Rock-’n’-Roll-Fahne ganz hoch über Luzern, denn im Sedel, dem ehemaligen Knast auf dem Rotseehügel vor Luzern, ziehen für ein paar Stunden ein paar böse Jungs ein - die doch so böse gar nicht sind.

Es gibt sie noch immer, diese feinen, kleinen und innovativen Label, die sich ganz den heiligen drei Akkorden verschrieben haben und den Rock ’n’ Roll in seinen unterschiedlichsten Schattierungen auf die Gehörgänge dieser Welt loslassen. People Like You aus Dortmund ist eines davon. Da wird noch Wert gelegt auf authentische musikalische Wiedergabe, und ein grosses Augenmerk gilt auch der aufwendigen Gestaltung der Plattencovers. So hat sich dieses Label in den letzten Jahren einen festen Stammplatz in jedem aufrichtigen Rock-’n’-Roll-Herz erobern können. Dieses Jahr senden People Like You zum zweiten Mal die postösterliche Mission aus ihrem musikalischen Stall in die Clubs von nebenan. Das bedeutet Feinstes aus Psychobilly, Hardcore, Punk und Rock ’n’ Roll, von Bands gespielt, die es auch gewohnt sind, auf grossen Bühnen abzudrücken, diesmal aber dafür besorgt sein werden, den Schweisspegel in den Clubs hochzutreiben.

Eröffnen werden den Abend District aus Dortmund - der Heimstadt des Labels. Die Mitglieder der Band rekrutieren sich aus ehemaligen «angesagten» Punkrockbands aus dem Pott. Sie haben sich, dank ihres begnadeten Songwriters Pascal Briggs, ganz in die Fahrlinie der klassischen englischen Punkrockbands wie The Undertones, Cock Sparrer oder Buzzcocks begeben. Mitnichten hört man ihnen an, dass sie aus Deutschlands grösstem Industriegebiet stammen, man hält sie eher für Relikte aus den Londoner Docks von 1977. Als zweite Band besteigen The Generators aus Los Angeles die Bühne. Sie gingen aus der erfolgreichen Liveband Schleprock hervor, die in den neunziger Jahren mit ihrem Grunge-angehauchten Skaterpunk bei Warner Brothers landete, von ihrem Debüt gleich mehrere hunderttausend Alben absetzte und sich so auf die Spuren von Green Day und Rancid begab. Als sie dann herausfanden, dass der amerikanische Bierriese Corona einen ihrer Songs zu Werbezwecken missbrauchte, war dies ein Grund für die Band, sich in neuer Formation, als The Generators, wieder auf die Ursprünge ihrer musikalischen Reise zu besinnen. So starteten sie neu als typische Streetpunkband, welche die Wut des ersten Clash-Albums mit der instrumentalen Raffinesse von druckvollem amerikanischem Rock ’n’ Roll kreuzte. Mittlerweile haben sie die ungeschliffenen Songs zugunsten songwriterischer Epen eingetauscht und segeln damit im Windschatten von Social Distortion. Nach Luzern werden sie ihr neues Werk «Getting Serious» mitnehmen.

England gebar schon so manche Stile und Trends in der Mode und Musik. So entstand in den siebziger Jahren im Sog des Punks eine kontroverse Bewegung, die das einsilbige, aus der englischen Arbeiterklasse stammende «Oi» zu ihrem Schlagwort machte. Diese Form des Punks, fernab der Kunstschulen erfunden, fand regen Anklang bei den Gruppen der Skinheads, die sich energisch vom Rassismus distanzierten. Meistens war die äusserst aggressive Musik mit lauten Brüllchören durchsetzt - ähnlich denen aus Fussballstadien. Mit Deadline aber spielt nun ein Skingirl mit vier Boys auf, und das Quintett, das im Moment in England auf viele begeisterte Ohren stösst, hebt sich wesentlich vom bisher aus diesem Genre Bekannten ab: Eine der besten Frauenstimmen des heutigen Punk führt mit einem wunderbaren Popappeal durch gepflegte, hymnenhafte Songs - typisch britisch! Dann sind zwei gute Bekannte des Veranstalters an der Reihe. Zuerst die U.S. Bombs aus Orange County, welche vom klassischen britischen Punk der siebziger Jahre inspiriert wurden. Am Mikrofon windet sich die ehemalige Profiskateboard-

Legende Duane Peters, welcher stolzer Inhaber eines «Guinness-Buch der Rekorde»-Eintrags ist. Er war nicht nur der erste Skateboarder, der die Halfpipe beherrschte, nein er erreichte sogar eine 360-Grad-Drehung in einer Röhre. Mittlerweile ist der vom Skaten gezeichnete und mit vielen Tattoos verzierte Mann nicht nur Sänger der U.S. Bombs und der Die’ Hunns, sondern auch Labelbetreiber bei Desaster Records, einem Garant für Qualitätsveröffentlichungen des Punk.

Schliesslich gibt es Psychobilly aus Berlin, Bastarde des Punkrocks und des wilden, hysterischen Rockabilly der fünfziger Jahre; oder wie es Köfte, der Sänger von Mad Sin, formulierte: «Stell dir vor, die Welt liegt in Trümmern, nur noch Rauch und Asche (genau wie die Punks es immer heraufbeschwörten), und aus den Ruinen kriechen die Menschen, und was finden sie? Eine Rockabilly-Platte.» Diese Bewegung erreichte in London ihren Zenit in der Zeit zwischen 1982 und 1986. Bands wie Meteors, King Kurt, Guana Batz oder Demented Are Go waren die Speerspitze einer bunten Szene, welche im «Klub Foot» im Clarendon-Hotel ihre Heimat fand. Die veröffentlichten Livemitschnitte aus diesem Tempel sind legendär und erreichen heute eine neue Popularität. Zu den Sound-Ingredienzen der Berliner gehören neben Rockabilly-Einflüssen genauso die Dead Boys, New York Dolls, Misfits und die Ramones.

Live auf der Bühne ist das der pure Wahnsinn: überbordender Rock-’n’-Roll-Gitarrensound mit Punkriffattacken in einem Kontrabassgewitter, dargebracht von Flat-Top-Derwischen, die der Hölle oder irgendeinem monströsen Marvel-Comic entwischt sind. Selber nennen sie dies «Psychotic Hellbilly». Und ihr neues Album trägt den Titel «Babylon Reloaded».

Damit während der jeweiligen Umbaupausen keine Langeweile aufkommen kann, werden diese von The Ski King als Conférencier überbrückt - mit einem Augenschmaus aus Ekel, Schmerz und Humor, so schwarz, dass er beinahe nicht zu sehen (und zu hören) sein wird. Und so erhält das Rock-’n’-Roll-Herz für fünf Franken pro Band einen Einspritzer, der es noch lange und hoch schlagen lassen wird; wie das Donnern der Hot-Rods.

Where the Bad Boys Rock in: LUZERN Sedel, Fr, 8. April, 20 h. Infos: www.madsin.de; www.deadline-uk.com; www.the-generators.com; www.district-online.de