Ungleiche Nachbarn: Iran und Israel im Gundeli
Ein iranisches Begegnungszentrum und eine zionistische Frauenhilfsorganisation, Tür an Tür mitten in Basel. Man kämpft, aber nicht gegeneinander.
Die Strasse ist lang, verkehrsreich und voller Geschäfte mit Waren aus aller Welt: Kaffee aus Kolumbien, Schmuck aus Tibet, ein spanisches Restaurant und natürlich der obligate türkische Kebabstand. Inmitten dieses multikulturellen Biotops befinden sich auch, nachbarschaftlich vereint, zwei unscheinbare Institutionen: das schweizweit einzige iranische Kultur- und Handelszentrum sowie die Basler Vertretung der «Internationalen Zionistischen Frauenorganisation für ein besseres Israel».
Für gewöhnlich ist Reza, der Geschäftsführer des iranischen Begegnungszentrums, ein gastfreundlicher Mann. In kariertem Hemd und Jeans tritt er auf, bietet Tee, Pistazien und Kekse an. «Iran soll ein gefährliches Land sein», schmunzelt er, «wenn man dabei an die Süssigkeiten denkt, so ist dies richtig. Das sind lauter Kalorienbomben.» Im Sommer vor fünf Jahren hat der gelernte Garten- und Landschaftsarchitekt das Zentrum gegründet, jetzt spricht er vom Aufhören. Ein Ort der Begegnung hätte es sein sollen. Bloss: Die Begegnungen blieben aus. Von den 7000 offiziell in der Schweiz registrierten IranerInnen, von denen etwa 350 bis 400 in Basel und Umgebung wohnen, fanden nur wenige den Weg ins Zentrum. Auch jene, die in den letzten Jahren in die Schweiz gekommen sind, hätten sich kaum für die persische Kultur interessiert. Die Differenz zwischen den Generationen sei einfach zu gross, sagt Reza. Früher sei man in die Schweiz gekommen, um zu studieren, sich weiterzubilden, zu arbeiten und eine Familie zu gründen. Heute seien es vor allem Wirtschaftsflüchtlinge, die kaum eine Ausbildung, andere politische Vorstellungen und fast keine Perspektiven hätten. «Die Sprache allein genügt nicht, um sich zu verstehen», sagt er. SchweizerInnen kommen sowieso nur selten ins Zentrum. «Bei uns kann man kostenlos Tee trinken und Wasserpfeife rauchen. Das finden die Leute seltsam», vermutet Reza. Jahrelang hätte er sich darum bemüht, dass das Zentrum als eine Begegnungsstätte von der Öffentlichkeit wahrgenommen und von der Presse vorgestellt würde, doch nichts sei geschehen. Auch die Erlaubnis, Getränke gegen Bezahlung anzubieten, hat er von den Basler Behörden nie erhalten, da er kein Wirtepatent besitzt und das iranische Kultur- und Handelszentrum auch kein Verein ist. «Wir wollten keinen Verein gründen. Ein Verein hat immer eine bestimmte Ausrichtung. Das führt zu Ausgrenzung.» Reza will nicht, dass im Zentrum über Politik, Religion oder Herkunft diskutiert wird. Geselligkeit sei ihm wichtiger. Boden, Decke und Wände des rund 250 Quadratmeter grossen Raumes sind mit persischen Teppichen bedeckt, Ölbilder schöner, Wasserpfeife rauchender Frauen ergänzen das Dekor. Rezas Stolz ist ein grosses Gemälde, das die Taten des Helden Rostam erzählt. Es ist eine Geschichte des berühmten Persers Ferdosis, sie erinnert an die Tradition der von Teehaus zu Teehaus ziehenden Geschichtenerzähler. Im vorderen Teil des Zentrums hat Abbas einen kleinen Laden mit iranischem Handwerk und kulinarischen Spezialitäten eingerichtet. Damit sollte das Zentrum finanziert werden. Aber auch hier ist es irritierend leer.
Kaum anders ist die Situation bei den Nachbarinnen: Gleich neben dem iranischen Kultur- und Handelszentrum befindet sich der Laden der «Internationalen Zionistischen Frauenorganisation für ein besseres Israel» (Wizo). Wizo ist eine international tätige Organisation, die ein Netzwerk von 800 Institutionen und Programmen unterhält, das sich um Frauen, Kinder und ältere Menschen in Israel kümmert. Aber es mangelt an Unterstützung, vor allem aus der eigenen Gemeinschaft. Was fehlt, so ein Wizo-Mitglied, sei Zeit und Motivation. Die Erinnerung an den Holocaust hat nachgelassen, Israel hat viel Sympathie verloren, und die Anforderungen an die moderne Frau von heute lassen weniger karitative Arbeit zu; Job, Familie und Freizeit haben Vorrang. Dabei wäre Hilfe dringend notwendig: Laut Wizo gibt es in Israel rund 200000 misshandelte Frauen und 600000 Kinder, die in Familien leben, in denen häusliche Gewalt ein grosses Problem darstellt. Deshalb stellt die Hilfsorganisation Opfern häuslicher Gewalt eine Reihe von Diensten zur Verfügung, einschliesslich Frauenhäuser für Misshandelte und deren Kinder sowie Beratungsdienste. Doch nicht nur das freiwillige Engagement habe abgenommen, sondern auch die Spendenfreudigkeit -, mitunter als Konsequenz der aktuellen politischen Lage, ist die Wizo überzeugt. Die Frauen betonen deshalb, eine unabhängige Organisation zu sein, die einzig aus praktischen Gründen mit der israelischen Regierung zusammenarbeite. Dies und die Tatsache, dass vor allem jüdische Frauen und Kinder von der Stiftung profitieren, sorge aber wieder von anderer Seite für Kritik.
Die Basler Wizo-Vertretung wurde schon bald nach der Gründung der Organisation in London im Jahre 1920 eingerichtet. Ziel war es, Geld zu sammeln, um die Hilfsleistungen in Israel zu finanzieren. Die Finanzierung basierte - so wie heute noch - auf Spenden und Legaten, öffentlichen Aktionen wie dem Verkauf von Orangen oder dem bekannten Wizo-Flohmarkt. Vor allem letzterer war in den achtziger und neunziger Jahren für seine exquisite und doch billige Ware bekannt. Kurz vor Weihnachten fand er jeweils in Basel statt und bot zu Spottpreisen englisches Silber, Figuren aus Meissner Porzellan oder Bettlaken und Tischtücher aus feinstem Leinen an. Der Flohmarkt war ein gesellschaftliches Ereignis, gut besucht und stets erfolgreich. Nicht einmal eine Bombendrohung im Jahre 2000 konnte ihn verhindern.
Ob der Bazar in diesem Jahr noch einmal veranstaltet wird, ist mehr als fraglich. Die Menge der Waren, die der Wizo von Privaten kostenlos zur Verfügung gestellt werden, wird immer kleiner. «Haushaltsauflösungen sind heute unser grösstes Geschäft. Allerdings ist die Ware meist nur zweitrangig, und oft müssen wir dafür noch bezahlen», sagt die Mitarbeiterin.
Fehlende Klientel hier, mangelnde Unterstützung dort. Die friedliche iranisch-israelische Koexistenz hat vielleicht auch in Basel bald ein Ende.
www.wizo.org oder www.wizo.ch