Kinderkrippen: Effizient soll die Erziehung sein

Nr. 21 –

In Zürich wird am 5. Juni über eine Vorlage abgestimmt, die die Stadt verpflichtet, ein bedarfsgerechtes Angebot zur ausserfamiliären Kinderbetreuung bereitzustellen. Die Vorlage ist wichtig und richtig und für die Deutschschweiz immerhin wegweisend. Doch das prominenteste Argument, mit dem die (vorwiegend linken) BefürworterInnen kämpfen, löst ein mulmiges Gefühl aus: Für jeden Franken, der in Kinderbetreuung investiert werde, flössen drei bis vier Franken zurück in die Gesellschaft - etwa durch höhere Steuereinnahmen, weil dann mehr Leute für Lohn arbeiten würden. Vielleicht stimmt das, und vielleicht muss man so argumentieren, wenn man eine Abstimmung gewinnen will. Doch diese Milchbüchleinrechnung steht neben anderen Aussagen, die in jüngster Zeit gemacht wurden: Das «Tagblatt der Stadt Zürich» schreibt, Spontangeburten seien für viele Frauen eine Belastung, weil sie nicht planbar seien. Ein wirtschaftsliberaler Ökonom behauptet, professionelle Kinderbetreuung sei effizienter als häusliche (auch die FPD, Gegnerin der Zürcher Vorlage, will deshalb mehr Krippenplätze, ihrer Meinung nach aber sollen diese «eigeninitiativ» entstehen, statt staatlich bereitgestellt werden). Der «Tages-Anzeiger» rechnet vor, ein Kind koste, bis es erwachsen sei, eine Million Franken (das ist Unsinn und beruht auf der oberflächlichen Lektüre einer Studie, die einberechnet, wie viel Lohn dem Elternpaar durch die Kinderbetreuung entgeht. Je nach Fragestellung mag das eine sinnvolle Betrachtung sein, doch zu behaupten, ein Kind koste 50000 Franken im Jahr, ist ein Hohn für all die Eltern, die wirklich nicht so viel Geld haben). Und ein Erziehungsratgeberflugblatt wirbt dafür, mit Kindern zu singen, denn Musik fördere die Leistungsfähigkeit.

Kinder stören die Planung, kosten viel, bedeuten Verzicht und halten - ineffizient erzogen - Mütter im besten Arbeitnehmerinnenalter davon ab, ihre Fähigkeiten zum Steigern des Bruttosozialprodukts bereitzustellen (dass sich Väter massgeblich an der Betreuung beteiligen, zieht nach wie vor kaum jemand in Betracht). Hingegen wären Kinder - effizient erzogen und betreut - eine Investition in die leistungsfähige Gesellschaft von morgen.

Diese Argumentation haut in die gleiche Kerbe wie jüngst eine Gleichstellungsbeauftragte, die im Radio darüber sprach, welcher Elternteil Berufskarriere machen «darf» und welcher die Kinder betreuen «muss». Weshalb formuliert sie es nicht umgekehrt? Natürlich: Weil es eine soziale Realität ist, dass Berufskarriere mehr gilt als Betreuungsarbeit. Doch wer so spricht, bekräftigt eben diese Realitäten. Die Gleichberechtigung der Geschlechter hat in eine Richtung (Frauen übernehmen «Männerrollen») zwar einigermassen stattgefunden, in die andere Richtung (Männer übernehmen «Frauenrollen») aber noch fast gar nicht.

Es ist wichtig, dass es genug Kinderkrippen gibt, und es wäre zu begrüssen, wenn Zürich der restlichen (Deutsch-)Schweiz darin etwas vormachte. Noch wichtiger aber wäre, dass die Gleichberechtigung auch in die andere Richtung stattfände. Damit dies gelingt, muss man(n) aufhören, in (ökonomischen) Effizienzkategorien zu denken. Sich allzu sehr auf ökonomistisches Denken einzulassen, um eine Abstimmung zu gewinnen, könnte kontraproduktiv sein.