«DIE KOMMENDEN KRIEGE»: Hoffen auf die Uno
Andreas Zumach konstatiert die Erosion des Völkerrechts.
Das Szenario ist düster: In den nächsten zwanzig Jahren bewegt sich die Welt auf den so genannten Peak Oil zu, den Zeitpunkt, an dem die weltweite Ölproduktion ihren Höchststand erreicht haben wird. Danach wird es immer weniger Öl zu fördern geben. Gleichzeitig aber gibt es kaum Hinweise dafür, dass der Erdölverbrauch bis dahin sinkt - im Gegenteil. Steht demzufolge die Welt vor grossen Schlachten, bei denen um den Einfluss über die Erdölfelder gerungen wird?
Der WOZ-Autor Andreas Zumach zeichnet in seinem Buch «Die kommenden Kriege» kein völlig pessimistisches Bild. Allerdings liefert er auch wenig Anlass zur Hoffnung. Die geschichtliche Erfahrung lasse auch in der Frage des Erdöls weitere militärische Konflikte befürchten. Zumal internationale Vereinbarungen, die kriegerische Auseinandersetzungen verhindern sollten, von einflussreichsten Staaten nicht eingehalten würden. Der Luftkrieg der Nato gegen Jugoslawien im Frühsommer 1999 ist für Zumach der «Beginn der Erosion des Völkerrechts». Mit der Begründung einer «humanitären Intervention» sei zudem erstmals ein Angriffskrieg mit menschenrechtlichen Motiven begründet worden. Mit dem Irakkrieg von 2003 schliesslich hat gemäss Zumach die Missachtung des Völkerrechts ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Zumal sämtliche Begründungen für den Krieg sich im Nachhinein als falsch erwiesen haben. Für Zumach ist klar: Das Öl war der Hauptgrund für den Regimesturz in Bagdad. Das Land verfügt über die zweitgrössten Ölreserven der Welt, und nirgendwo auf der Welt ist die Förderung des Öls preiswerter.
Der Autor diskutiert auch mögliche Szenarien eines Krieges der USA gegen den Ölstaat Iran. Zwar scheint ein solcher Krieg angesichts der Probleme der US-Truppen im Irak derzeit eher unwahrscheinlich, für Zumach ist das aber keine Garantie. Er verweist auf längerfristige Pläne der derzeitigen Machthaber in Washington, die einen Regimewechsel im Iran beinhalten. Auf militärischer und geheimdienstlicher Ebene würden ganz konkrete Vorbereitungen für eine Invasion getroffen.
Zumach vermeidet in seinem Buch ein populistisches Bashing der US-Politik. Er hält das Bild vom kriegerischen amerikanischen Mars und der friedlichen europäischen Venus für «ein Propagandamärchen». Auch Europa trage eine hohe Verantwortung für den heutigen Zustand der Welt. Zumach warnt zudem vor der militärischen Aufrüstung der EU. Bislang sei diese in der Öffentlichkeit ohne nennenswerten Widerspruch und Diskussion geblieben. Bis ins Jahr 2012 würden 150 Milliarden Euro in militärische Projekte gesteckt. Das EU-Parlament habe dazu nichts zu sagen, und den nationalen Parlamenten fehle die Gesamtübersicht. Zudem ziehe das Argument, es gelte die EU aussenpolitisch von den USA zu emanzipieren, bis in linke und grüne Kreise hinein. Tatsächlich strebe die EU eine weltweite militärische Handlungs- und Interventionsfähigkeit an, gerade auch um ihre Interessen in rohstoffreichen Gegenden der Welt zu wahren.
Angesichts dieser düsteren Lage setzt Zumach auf die Uno. Er verweist auf gelungene Beispiele wie das Kioto-Protokoll zum Klimaschutz, die Konvention zum Verbot von Antipersonenminen, die Schaffung des internationalen Gerichtshofs; in all diesen Fällen hatten Koalitionen auch kleiner Länder Fortschritte gegen den Willen von Grossmächten durchgesetzt. Eine konsequente Weiterverfolgung der Strategie einer die Weltregionen übergreifenden «Koalition williger Multilateralisten» wäre, so Zumach, die Alternative zum militärischen Machtgehabe einiger Grossmächte.
Andreas Zumach: Die kommenden Kriege. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 223 Seiten, Fr. 16.50