CO2-Endlagerung: Das Problem verbuddeln
Wenn Kohlendioxid in der Atmosphäre dem Klima schadet, lassen wir es eben im Boden verschwinden. Doch ob das wirklich so einfach ist, wie versprochen wird, kann heute niemand beweisen.
Der Klimawandel hat bereits begonnen, das hat die Wissenschaft im jüngsten Bericht des Uno-Klimagremiums IPCC unmissverständlich klargemacht. Aber es kann noch wesentlich schlimmer kommen, wenn die Emissionen von Treibhausgasen, allen voran des Kohlendioxids (CO2), nicht erheblich reduziert werden.
So wird eifrig nach Lösungen gesucht, den CO2-Ausstoss zu reduzieren - oder das Gas zu verstecken. Verstecken? Genau. Letzteres verspricht in den nächsten Jahren der grosse Renner in der Klimadebatte zu werden. Die Energiekonzerne mögen nämlich nicht auf ihre Kohlekraftwerke verzichten, aus denen ein beachtlicher Teil der Emissionen stammt. In Deutschland werden etwa vierzig Prozent des Stroms mit Kohle produziert; in vielen anderen Industriestaaten bewegt man sich in ähnlichen Grössenordnungen. In der Schweiz wiederum spricht man gern von «modernen» Gaskraftwerken, die in den nächsten Jahrzehnten die postulierte Versorgungslücke schliessen sollen.
Mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke spielen also eine Schlüsselrolle in der Energieversorgung, und da sich die naheliegende Lösung, nämlich das Ersetzen durch erneuerbare Energieträger, kaum rasch genug wird umsetzen lassen und das Sparen politisch nicht opportun zu sein scheint, geht nun das Schlagwort von der «sauberen Kohle» um. Die Kraftwerke sollen effizienter werden und gleichzeitig das CO2 aus den Abgasen abscheiden, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Das aufgefangene Gas soll unter hohem Druck verflüssigt und deponiert werden. Carbon Capture and Storage (CCS) nennt sich das im Fachjargon. Entsorgen will man das flüssige CO2 im tiefen Ozean oder in geeigneten geologischen Formationen. Einige Verfahren befinden sich bereits in der Erprobung, doch ist die Technik noch lange nicht ausgereift.
Wie sauber kann Kohle sein?
Dennoch dürfte die «saubere Kohle» zumindest mittelfristig eine prominente Rolle im Klimaschacher spielen. In vielen Ländern laufen schon Projekte, und die Mittel werden allenthalben aufgestockt. Unter anderem hat US-Präsident George W. Bush im Januar in seiner Rede an die Nation angekündigt, verstärkt auf diese Karte zu setzen. Der britische Premier Tony Blair schloss sich an und forderte Anfang letzter Woche in seiner Reaktion auf den IPCC-Bericht eine globale Klimaschutzinitiative, zu der auch «clean coal» gehören soll.
Da fragt sich natürlich, wie sauber die saubere Kohle tatsächlich ist. Das Konzept beinhaltet auch die Steigerung des Wirkungsgrads, der heute in den modernsten Kraftwerken bei 46 Prozent liegt. Er wird sich auf etwas über 50 Prozent heben lassen, aber danach ist aus physikalischen Gründen Schluss. Jedenfalls für Grosskraftwerke, die von den Energiekonzernen bevorzugt werden. Höhere Wirkungsgrade von 80 bis 90 Prozent lassen sich nur in Heizkraftwerken erreichen, die auch die Abwärme nutzen.
Die Effizienzsteigerung, die in den nächsten Jahren in neueren Kraftwerken erzielt werden kann, dürfte allerdings durch die CO2 -Abtrennung wieder aufgefressen werden. Denn für die Abscheidung, Verflüssigung und Deponierung des CO2 muss einiges an Energie aufgewendet werden. Im sogenannten Oxyfuel-Verfahren zum Beispiel wird die Kohle mit reinem Sauerstoff verbrannt. Das Verfahren hat gegenüber der Verbrennung mit Luft den Vorteil, dass die Abgase praktisch nur noch aus Wasserdampf und CO2 bestehen, die leicht voneinander getrennt werden können. Das erleichtert die spätere Abtrennung des CO2 erheblich. Allerdings muss der Sauerstoff zunächst mit grossem Energieaufwand aus der Luft gewonnen werden.
Ein anderes Verfahren ist der Integrated gasification combined cycle, in dem die Kohle zunächst unter Druck und bei knappem Sauerstoffangebot zu Kohlenmonoxid verbrannt wird. Die unerwünschten schwefel- und stickstoffhaltigen Anteile werden ausgewaschen, und das übrig gebliebene Kohlenmonoxid kann mit Wasser bei hoher Temperatur in einer sogenannten Shiftreaktion zu Kohlendioxid und Wasserstoff umgesetzt werden. Dieses Verfahren soll im FutureGen-Projekt in den USA zur Anwendung kommen, in das bis zur Inbetriebnahme 2012 fast eine Milliarde US-Dollar investiert werden soll. Mit dem Wasserstoff kann dann in einem thermischen Kraftwerk noch einmal fast abgasfrei Strom erzeugt werden. Das anfallende CO2 soll unterirdisch gelagert werden.
Die Schwarze Pumpe
Deutlich billiger ist mit vierzig Millionen Euro das deutsche Pilotprojekt, das der schwedische Konzern Vattenfall im Mai letzten Jahres südlich von Berlin in Angriff genommen hat. Betrieben werden soll es mit der höchst umstrittenen Braunkohle. Wegen ihres geringen Brennwerts verursacht sie von allen fossilen Brennstoffen die höchsten CO2-Emissionen. Ausserdem verwüstet sie, da im Tagebau gewonnen, grossflächig die Landschaft. Zunächst wird am Standort «Schwarze Pumpe» eine kleine Dreissig-Megawatt-Anlage gebaut, die nach dem Oxyfuel-Verfahren arbeiten wird. Sie soll Mitte 2008 den Betrieb aufnehmen.
Noch sind einige der Komponenten nicht prozessreif. Wenn aber ab 2008 in der Pilotanlage alles nach Plan läuft, soll in der Nachbarschaft bald mit dem Bau eines zehnmal leistungsfähigeren Kraftwerks begonnen werden, mit dem die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens getestet werden kann. Bei Vattenfall schätzt man, dass die Technik ab 2020 serienreif ist. Nach heutigem Stand würden Abscheidung, Transport und Lagerung etwa achtzig bis hundert Euro pro Tonne kosten. Die EU-Kommission hat als Ziel ihrer Forschungsförderung in den nächsten Jahren ausgegeben, diesen Preis auf zwanzig Euro pro Tonne zu drücken und das CO2 in den Abgasen um neunzig Prozent zu reduzieren.
Die Vorgabe von neunzig Prozent CO2-Reduktion erstaunt, wenn man die Prospekte der Energiekonzerne liest: Gemeinhin spricht man von «CO2-freien» Kraftwerken. Die komplette Abtrennung ist aber illusorisch. Dietmar Schüwer vom Wuppertaler Institut für Umwelt, Klima und Energie rechnet mit einem CO2-Restanteil von 5 bis 25 Prozent, je nachdem, wie viel Energie man dafür zusätzlich aufwenden will. Hinzu kommen noch Leckagen bei Transport und Einlagerung.
Ebenso zurückhaltend ist das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung. In einer Studie über die Möglichkeiten von CCS kommt man dort zu dem Schluss, dass es sich bloss um eine Brückentechnologie handeln kann. Sie könne in den nächsten Jahrzehnten helfen, die CO2-Emissionen deutlich zu mindern, bis erneuerbare Energiequellen in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Ein Allheilmittel sei CCS aber nicht, lässt das Fraunhofer Institut verlauten: Kraftwerke mit CO2 - Abscheidung verbrauchten ein Drittel mehr Kohle oder Erdgas und seien deshalb kein Fortschritt in Richtung einer nachhaltigen Energieversorgung.
Seen am Grund der See
Bleibt die Frage, wie man das abgeschiedene CO2 loswerden will. Am umstrittensten ist die Einbringung von flüssigem CO2 in den Ozean. Der Druck in ein paar Tausend Metern Tiefe ist hoch genug, um das CO2 flüssig zu halten. Unter anderem kursiert die Idee, in Senken am Meeresboden einfach riesige CO2-Seen anzulegen - und darauf zu hoffen, dass tiefe Wasser ruhig genug sind. Dabei würde man das Absterben der Ökosysteme am Boden sowie eine allmähliche Versauerung des Meerwassers in Kauf nehmen. Und: Keine der vorgeschlagenen Optionen bietet bisher die Gewähr für eine langfristige Kontrolle des CO2.
Etwas günstiger ist die Prognose für geologische Formationen. Gedacht wird dabei vor allem an leere Öl- und Erdgaslagerstätten oder tiefe salzhaltige Wasseradern. Auch über unzugängliche Kohleflöze wird diskutiert. Ein schöner, wenn auch ökologisch absurder Nebeneffekt: Mit dem verflüssigten CO2 lässt sich zusätzliches Öl und Gas aus den Lagerstätten pressen. In Norwegen und Kanada wird CO2 zu diesem Zweck bereits kommerziell eingesetzt - in Norwegen macht eine hohe CO2-Steuer die Einlagerung zusätzlich attraktiv.
Die meisten GeologInnen sind der Überzeugung, dass das CO2 in solchen geologischen Formationen tief unter Grund auf Dauer sicher gespeichert werden kann. Für einige Aufregung in der Fachwelt sorgte allerdings im Sommer letzten Jahres eine Arbeit von Yousif K. Kharaka vom U.S. Geological Survey. Kharaka hatte gemeinsam mit Kollegen ein Experiment ausgewertet, bei dem im Oktober 2004 1600 Tonnen CO2, eine vergleichsweise geringe Menge, in wasserführende Schichten der sogenannten Frio Formation unter dem Golf von Mexiko gepumpt wurden. Nach sechs Monaten zeigte sich, dass das mit dem CO2 versetzte Salzwasser erheblich saurer geworden war und begonnen hatte, das Gestein anzugreifen. Kharaka und Kollegen warnten davor, dass das saure und verschmutzte Wasser mit dem gespeicherten CO2 unter Umständen durch Bohrlöcher in höher für die Wasserversorgung genutzte Schichten dringen könnte. Der Ölkonzern Shell, der am Experiment beteiligt war, hält solche Befürchtungen allerdings für übertrieben. Die von Kharaka beschriebenen chemischen Vorgänge seien, so der lapidare Befund, seit langem bekannt.
Auch Marco Mazzotti von der ETH Zürich hält die Lagerstätten grundsätzlich für sicher. In Norwegen sei bereits eine Million Tonnen CO2 verbuddelt worden; das sei ohne nennenswerte Probleme abgelaufen. Effektiv nötig wäre aber die tausendfache Menge - den Beweis, dass sich auch so viel CO2 sicher im Untergrund versorgen lässt, müsse die Wissenschaft erst noch antreten. In seinem Institut denkt man derweil über Verfahren nach, das abgetrennte CO2 selbst zu Stein werden zu lassen, indem man es zu Kalzium- oder Magnesiumkarbonat umwandelt. Dann läge es als fester, vollkommen unbedenklicher Stoff vor, der problemlos deponiert oder gar als Baumaterial verwendet werden kann. Allerdings sind die Verfahren zur Herstellung dieser Karbonate bisher noch teuer und langsam. «Wir stehen noch ganz am Anfang», sagt Mazzotti. Der Klimawandel eilt mittlerweile voraus.